Wer den Weltcup der Nordisch-Kombinierenden, Frauen wie Männer, beobachtet, kennt die Geste der Athletinnen und Athleten vor dem Countdown in den Start ihres Langlaufens. Sie heben die langen Stöcke über ihre Köpfe, kreuzen sie. Dieses „X“ steht für Gleichberechtigung, für das doppelte X-Chromosom von Menschen weiblichen Geschlechts. Es geht um gleiche Rechte für die Frauen, die erst seit kurzem gemeinsam mit den Männern die Weltcuptour absolvieren. Olympia soll ihnen verwehrt sein und bleiben. Darum dieses „X“, auch der Enttäuschung an jene, die täuschen, vorgemacht für ein „U“, mit dem das Wort zum Verhalten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) beginnt: unmöglich.
Willkommen in der Gegenwart, geschätztes IOC! Während in diesen Tagen im slowenischen Planica die Weltmeisterschaft der Nordischen (Schispringen, Langlauf und natürlich Kombination) über die Bühne geht, hält das oberste Organisationskomitee für die alle vier Jahre wiederkehrenden Sportwettkämpfe standhaft an der Position fest, dass den Frauen in der nordischen Kombination 2026 bei den Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina d´Ampezzo kein Startrecht, kein Bewerb, kein olympisches Kräftemessen zuerkannt wird. Vier Jahre danach, 2030, soll auch der Praxis dieser Königsdisziplin des nordischen Wintersports durch Männer keine Olympiareife mehr zugesprochen werden.
Seit 1924 hatten die Männer alle vier Jahre Gelegenheit, ihren Mut zu beweisen, auf breiten langen Brettern in Schanzenspuren enorme Geschwindigkeit aufzunehmen, um nach Sprung und in Körperspannung auf dem Luftpolster liegend Weite zu machen, sicher zu landen. Mit Telemark natürlich, dieser Eleganz des Ausgleichs von Druck und Geschwindigkeit, was wie ein Knicks aussieht. Er stammt allerdings aus frühester Stilistik des Schifahrens, als auch beim alpinen Fahren die Ferse nicht am Schi fixiert war, ein Bein immer zurückgeschoben wurde, sodass das Knie den Schi fast berührte.
Im zweiten Teil, in Folge des Ergebnisses des Springens nach der Gundersen-Methode als Verfolgungsrennen gestartet, zählt dann der Ausdaueraspekt, Langlauf. Wer ein Faible für kombinierte Sportarten hat, ob in eigener Praxis (ich: SwimRun) oder passiv (also als Fan vor den Fernsehübertragungen, ich: Nordische Kombination, Biathlon, Triathlon, Sieben- und Zehnkampf der Leichtathletik), schüttelt gegenüber dem IOC nur noch verständnislos den Kopf.
Andererseits liegt selten so offen auf dem Tisch, worum es den Damen und Herren Funktionären dort geht. Man maß bei Olympia zuletzt bei der nordischen Kombination die geringsten Quoten an Medienresonanz und hält der Disziplin vor, sie käme nicht in die Breite (zwölf Nationen bei den Männern, elf bei den Frauen), es gewännen immer die gleichen wenigen.
Sprechen wir doch Klartext: Die traditionelle Vielseitigkeit auf langen breiten und kurzen schmalen Schiern entspricht nicht den Vermarktungserwartungen, den Finanzierungs-, besser wohl: Gewinninteressen, die das Internationale Olympische Komitee wie andere weltweit agierende Sportverbände (Fußball, siehe Katar) hat. Diese Organisationen spiegeln das Zeitalter des Turbokapitalismus, in dem sie alles dem alleinig verbliebenen Ziel gierigen Geldverdienens unterordnen.
Führende Nationalverbände der nordischen Kombination arbeiten einstweilen am Know-How-Transfer, um die zu wenig „breite“ Länderstreuung (Wo springt man Schi? Wo skatet man über Loipen?) zu optimieren. Folgt man meinen raschen Recherche-Ergebnissen dazu, soll eine Top-Schisportnation (Ironie wieder off!) demnächst einsteigen, nämlich die Niederlande.
Foto: Auf der Schanze (dazumals nur Männer) beim FIS Sommer Grand Prix Nordische Kombination in Villach-Möltschach (Österreich) am 27. August 2013, by Alex Micheu Photography, Creative CommonsAttribution-Share Alike 2.0 Generic, [commons.wikimedia.org, 20.2.2023]
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