Mit der den Weltfußball revolutionierenden Partie zwischen dem Gastgeberland und Ecuador beginnt heute in einer Woche die Weltmeisterschaft zu einer Jahreszeit, in der sich in den Geschäften die Panini-Alben für die Heldenverehrung im Sammeln und Tauschen von klebefähigen Starporträts neben Adventkalendern und Lebkuchen sehr seltsam ausnehmen.
In Katar ist ja bekanntlich die Sportart Fußball in ebenbürtiger Weise beheimatet wie in mitteleuropäischen Gefilden Kamelrennen. Die Entscheidung aus der Funktionärswelt darum, das Turnier in ein Land zu vergeben, das sich dafür erst eine Infrastruktur an Stadien mit Klima-Anlagen (!) errichten musste, wobei tausende Gastarbeiter ihr Leben ließen, reiht sich ein in den zunehmenden Größenwahn von sportlichen Mega-Events. Die schlagen nun gerne dort auf, wo Demokratie und Menschenrechte nicht zu Hause sind. Da hindern auch behördliche Auflagen seltener teure Maßnahmen für Großveranstaltungen, wodurch dem großen Geld-Verdienen nichts entgegensteht. Das ist praktisch für den Weltverband und natürlich auch alle Unternehmen, die sich als Sponsoren in Szene setzen wollen.
Ich hätte ja an und für sich eine Anfälligkeit für verstärkten Medienkonsum bei sportlichen Großveranstaltungen, schüttle aber zunehmend meinen Kopf über immer seltsamer werdende Gegebenheiten. So fiel ich Ende Oktober spätnachts auf einem Sport-Kanal in eine zeitversetzte Übertragung eines Enduro-Triathlon-Wettbewerbs von der arabischen Halbinsel und zwar aus Neom, einer geplanten, aber noch nicht existenten Stadt. Enduro heißt, dass der Dreitakt des Triathlons auf kurze Intervalle geschaltet wird, 300 Meter Schwimmen, vier Kilometer auf dem Rad, 1,6 Kilometer Laufen. Das Ganze geschieht allerdings dreimal hintereinander, im konkreten Fall im kontur- und charakterlosen Niemandsland einer Wüste, zwar am Meer, logisch für die dreifachen Schwimm-„Distanzen“. Ansonsten wird in brütender Hitze und bei ordentlich Wind auf gewalztem Sand und einer einsamen, in die Wüste asphaltierten Straße Rad gefahren oder gelaufen, absurd.
Genauso wie die Konstruktion von Speed-Bewerben in die hochalpine Welt der Region Zermatt, welche zur gleichen Zeit einen vorgezogenen Saisonstart für die besonders geschwindigkeitssüchtigen Artisten der Schipisten hätte ermöglichen sollen: Die nicht existente Schneelage dazu hat diesen ebenso sehr einschlägig motivierten Erweiterungsversuch des übervollen Wettkampfkalenders des Schiweltcups vereitelt.
Das einzige Regulativ gegen diese dubiosen Auswüchse des Sports ist der Boykott durch die medial an Sportgroßereignisse gebundene Masse. Denn ohne Multiplikation aller nur erdenklichen Markenbotschaften klingeln die Kassen nicht zur unersättlichen Zufriedenheit der Investoren.
An der Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar wird sich weisen, ob Verweigerung ein regulierendes Instrument der Masse sein kann. Diesbezügliche Ansagen gab und gibt es nicht wenige. Sind sie umsetzbar? Ich boykottiere. Wer noch?
Foto: Pexels/Free Photo Library
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