Die diesjährigen Biathlon-Weltmeisterschaften in Antholz in Südtirol sind zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Texts gerade Geschichte. Was spielten mir Lehrer, der ich im Bereich Passivsport dem Biathlon enthusiastisch huldige, die Semesterferien in Oberösterreich famos in den Terminkalender? Ich konnte nahezu alle Bewerbe meiner Heldinnen und Helden live vor dem Fernsehgerät verfolgen, jenen Frauen und Männern zusehen, denen ich zutiefst Respekt zolle, so wie sie den Ausdauerbereich des Langlaufens mit der Präzision des Schießens verbinden. Den hohen Puls mit der ruhigen Hand.
Ich selbst habe Langlauferfahrung und in dem mir liebsten Sportgebiet dafür, in Ramsau am Dachstein in der Steiermark, den Anstieg zum Schießplatz (den Zulauf, wie man in der Fachsprache sagt) schon gut bewältigt. Da geht die Herzfrequenz ordentlich hoch. Und dann sollst du einen ruhigen Finger an den Abzug legen können und auf fünfzig Meter Distanz die schwarzen Punkte nach Treffer durch Blenden oder Kippmechanismen weiß werden lassen? Im Liegend-Anschlag hat der Punkt 4,5 Zentimeter im Durchmesser, stehend auch nur 11,5.
Meine Selbsterprobung diesbezüglich ging noch nicht über die digitale Simulation hinaus. Selbst da fand ich eindrucksvoll, wenn die schwarzen Punkte vor deinem Diopter auf- und abtanzten. Insofern also: Biathleten können was. Das Spannende an sich wächst über die Kombination des scheinbar Unkombinierbaren in der steten Unberechenbarkeit des Sports und seines Wettkampfablaufs an sich. Jedes Schießen bestimmt die Dramaturgie des Wettkampfs und seiner Emotionen neu. Da gibt es das Leiden, wenn ein laufstarker und auch im Schießen verlässlicher Franzose wie Quentin Fillon Maillet im Verfolgungsrennen vor einer Woche mit drei Fehlern bei Shooting 1 alle Chancen für einen Podestplatz vergibt. Da passieren zwischen seinem Landsmann Émilien Jacquelin und dem leistungsmäßig alle überragenden Norweger Johannes Thingnes Bø hunderte Meter vor dem Ziel Strategiespielchen. Émilien stellt das Tempo in der Führungsarbeit ab, der Saison-Dominator zeigt sich vom Frechdachs verwirrt. Jacquelin, der ehemalige Radrennfahrer, lehrt ihn, dass er ab sofort, wäre Sommer und die Loipe Asphalt, von sich nur noch seinen schmalen Hinterreifen sehen kann. Nur 0,4 Sekunden früher bringt der Franzose seinen Zeitmessungschip am Knöchel vor dem Norweger über die Ziellinie.
Ich mag diese Gesamtinszenierung, die unzählige Spielarten in sich birgt, weil es darin – bei Weltmeisterschaften natürlich schon mehr als im Weltcup – nicht nur um die drei Topplätze geht. Biathlon ist ein Sport, in dem permanent Geschichten von Sieg und Niederlage, Positionsgewinnen und -verlusten erzählt werden. Ein Quentchen Glück tut das Seine dazu; es fällt gerne auch mal auf jene, deren Namen in den Ergebnislisten nicht immer ganz vorne aufscheinen. Auf Dominik Landertinger zum Beispiel, der im 20km Einzel für Österreich Bronze holte, und das, nachdem er noch im Dezember durchs tiefe Tal körperlicher Leiden eines Spitzenathleten gehen musste. „Das ist eben Biathlon“, sagte er im Fernsehinterview; wenn alles gut zusammenspielt, gelingt der Vorstoß aufs Podium.
Irgendwann muss ich, zwar ahnungslos, wie ich bei Herzfrequenz nach Belastung durch Skatingschritte und Stockschübe, die Waffe ruhig halte, ausrichte, mit ihr ziele und schieße, die reale Probe aufs Exempel machen. Und sei´s nur der Demut wegen, um das Heldenhafte der wirklich Großen dieser Disziplin noch mehr spüren zu können. Dieser mein persönlicher Biathlon-Test findet sich schon ein paar Jährchen als Punkt auf meiner bucket list. Es gilt, die Dinge voranzutreiben, um ihn Wirklichkeit werden zu lassen.
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