Literatur

Die Schuld eines Menschen ist schwer zu wiegen

Die Kunst der Kurzgeschichte liegt in der Verknappung und darin Verdichtung. Ferdinand von Schirach, ehemals Strafverteidiger, beherrscht sie und entführt in seiner Stories-Sammlung „Schuld“ in ein faszinierendes Panoptikum dessen, was der Begriff an philosophischer Reflexion zulässt.

Nun also hat sich das ZDF mit vier 43-minütigen Verfilmungen in einer zweiten Staffel („Kinder“, „Anatomie“, „Das Cello“, „Familie“) neuerlich der Herausforderung gestellt, im Zuschauer Empathie zu wecken, wenn er erlebt, wie sich eine Figur verliert und für sich Entscheidungen trifft, die dem Buchstaben des Gesetzes folgend zu verurteilen sind. Beklemmung und Betroffenheit bleiben. Produzent Oliver Berben und Regisseur Hannu Salonen entscheiden sich für eine Fernsehästhetik, in der verschiedene Handlungsebenen behutsam in Überblendungen geführt werden und Gegenstände mit hohem Symbolcharakter durch das Bild schweben, als gingen sie in einem Aquarium unter. Das Aufgebot von Darstellern höchsten Rangs und Namens – Moritz Bleibtreu als Verteidiger Friedrich Kronberg, Marcus Mittermeier, Martin Brambach, Josefine Preuß, Jürgen Vogel als seine Klienten, aber auch die großartige Iris Berben als eine betroffene Mutter oder der verlotterte Halbbruder von Lars Eidinger – garantiert, wie feinsinnig Schauspiel auch im Fernsehformat gestaltet sein muss, um zu berühren. Mit einem Epilog endet jede Folge. Kronberg steigt eine mondäne Treppe, vielleicht eines hohen Gerichtshofs, hinab, während aus dem Off als Botschaft erklingt: „Die Schuld eines Menschen ist schwer zu wiegen. Wir streben unser Leben lang nach Glück. Aber manchmal verlieren wir uns, und die Dinge gehen schief. Dann trennt uns nur noch das Recht vom Chaos. Eine dünne Schicht aus Eis, darunter ist es kalt, und man stirbt schnell.“

Genau so muss man heute Literatur ins Fernsehen transferieren. Bitte mehr davon! Die vier Folgen der zweiten Staffel sind noch drei Monate lang in der ZDF-Mediathek abrufbar.

Foto: Screenshot in meinem Wohnzimmer – Titelsequenz der zweiten Staffel der ZDF-Serie „Schuld“

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