Dabei sein ist alles. Dieser Satz galt einmal als Leitspruch für die Teilnahme an Olympischen Spielen. Bei den aktuellen in der Winterausgabe, die am kommenden Freitag in Peking eröffnet werden, heißt der wichtigste Satz wohl: Gesund bleiben ist alles. China, das in allen Berichterstattungen als strenger Verfechter seiner Null-Covid-Politik präsentiert wird, gibt einen Gastgeber mit starkem Kontrollsystem.
Null Covid: Ist das nicht eine nette Ansage vom Reich der Mitte, von wo aus vor etwas mehr als zwei Jahren das Virus seine rasante Reise um die Welt begonnen hatte? Irgendwie klingt sie höhnisch. Alle, die zu den Spielen anreisen, begeben sich in eine „Blase“. Sie bleiben streng getrennt von der Bevölkerung, sie bewegen sich in einer eigenen Welt. Sportlerinnen und Sportler mit all ihren Begleitpersonen werden täglich zum PCR-Test gebeten, bei dem ursprünglich ein CT-Wert über 40 erst zur Definition geführt hätte, dass eine Athletin oder ein Athlet als „negativ“ gegolten hätte. Hierzulande ist 30 die Schwelle und das Internationale Olympische Komitee (IOC) rühmte sich zuletzt, gut mit China verhandelt und den Grenzwert auf 35 gesenkt zu haben.
Es werden seltsame Spiele, noch mehr im Zeichen der Pandemie als die im vergangenen Sommer nachgetragenen von Tokyo 2020. Das hängt mit der Jahreszeit zusammen. Und mit dem Veranstalter. 2022 ist das Jahr, in dem zwei sportliche Großereignisse in Ländern zur Durchführung gelangen, die mit dem Zuschlag eines Mega-Events eine Bühne für ihre gesellschaftlichen Systeme bekommen, mit denen man unter Kriterien wie Humanismus, Toleranz, Demokratie und Menschenrechte seine Schwierigkeiten haben muss. Während in Katar im Advent (!) dieses Jahres ein Fußballweltmeister gesucht wird, kehren die Gladiatorinnen und Gladiatoren der Wintersportdisziplinen nun an Kampfstätten ein, die sie (ausgenommen Chinas Team mit Heimspielvorteil) noch nicht kennen gelernt haben. Denn die vorbereitenden Wettkämpfe vor einem Jahr im Zuge der jeweiligen Weltcup-Tourneen entfielen. Weswegen wohl. Auch eine Spielart der chinesischen Null-Covid-Politik?
Aus dem deutschen Schiverband kam das Denkmuster, ob in der Testsystematik, die nicht transparent ist, nicht auch ein Steuerungsmechanismus liegen könne, Medaillenanwärterinnen und -anwärter mittels „PCR-Testergebnis“ patt, will heißen; in Quarantäne zu setzen. Wir werden es an den Siegespodesten erkennen. Die warten bei Olympischen Spielen zwar auf Grund der Dramaturgie des Außergewöhnlichen, der nicht jede und jeder im Favoritenstatus in Sachen Erwartungsdruck gewachsen sein muss, gerne mit überraschenden Namen auf.
Die Leistungsdiktatur China hätte ja keine Mühe und Kosten gescheut, die eigene Equipe fit fürs edle Metall bei den Spielen im eigenen Land zu machen. Beispielsweise engagierte man im Biathlon mit Ole Einar Björndalen und Darja Domratschawa den erfolgreichsten Biathleten bei Olympischen Spielen und seine nicht minder erfolgreiche Frau, um die Chinesen in dieser Disziplin nach vorne, bestmöglich auf Medaillenkurs zu bringen. Als leidenschaftlicher Beobachter der Biathlonszene erinnere ich mich an ein Aufzeigen eines Schützlings der beiden bei einem Weltcup in Hochfilzen, als der sich läuferisch kurzfristig auf den dritten Platz pushte, um daraufhin grässlich zu büßen, wie er sich in dieser Runde beim Langlaufen übernommen hatte. Erfolg im Sport lässt sich nicht leistungsdiktatorisch erzwingen.
Es steht zu hoffen, dass die Corona-Pandemie über dubiose Testergebnisse uns in der beobachtenden Weltgemeinschaft nicht jene aus den Wettkämpfen in Quarantäne nimmt, die wir zu gern sehen wollen, ob sie ihre Leistungskurven, mit Gold, Silber oder Bronze belohnt, bei „Beijing 2022“ zu den notwendigen Spitzen treiben können. Die Angst vor Manipulation befindet sich leider nicht nur mit im Reisegepäck aller Aktiven auf ihrem Weg in die sechzehntägige „Blase“. Sie wird vom Publikum geteilt. Erst die Bilanz am 20. Februar 2022 wird lehren, ob sie begründet war.
Foto: Pexels/Free Photo Library – Die Vereinigten Staaten entsenden Sportlerinnen und Sportler, aber keine diplomatischen Vertreter zu den Spielen in Peking
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