Nur damit keine Missverständnisse auftreten: Ich bin ein Verfechter aller Maßnahmen, die gesetzt werden, damit wir (ja, es ist ein ALLE umfassendes „wir“) die Pandemie bewältigen, bestmöglich durchstehen und zu einem möglichst baldigen Ende bringen. Dazu gehört vorrangig das Impfen. Es schützt vor allem vor schweren Verläufen, selbst die milden sind nicht ohne. Denn schwer heißt, es braucht Hospitalisierung, zuerst normal, schlimmstenfalls Intensivbetreuung. Beide Ressourcen benötigen wir – eigentlich – für viel dringendere Bedürfnisse im Gesundheitsbereich.
Ich befürworte die Impfpflicht, ich befürworte Maßnahmen, auch in ihrem Zusammenspiel, wenn sich dabei ihr Sinn klar erschließen lässt. Da sitze ich am vergangenen Montag in der Früh am Besprechungstisch in meinem Büro und bohre für den zigsten Antigen-Test in der Nase, rühre in der Pufferlösung, tropfe auf die Testkassette. Ich mache wieder einen PCR-Spültest, allerdings in der Unsicherheit, ob das Einsenden im Desaster nach dem Anbieterwechsel von PCR-Tests für Schulen überhaupt zu einem Ergebnis führen wird; und falls ja, zu einem validen?
Da kreisen dann schon die Gedanken und in diesen hat auch das sogenannte Käsescheibenmodell seinen Platz. Käse, aufgeschnitten in Scheiben, zeigt Löcher. Käseblätter, nacheinander gestellt (wie immer die dann auch zum Stehen gebracht werden?), haben ihre Löcher (Nichtabdeckung) an verschiedenen Stellen. Das ganze Käse-System an sich bringt dann Sicherheit, es wird dicht. Um im vielleicht auch semantisch etwas doppeldeutigen Bild zu bleiben: Wir haben mittlerweile sehr viel Käse auf dem Tisch.
Eine nette Übung in Rhetorik oder Coaching-Sets besteht darin, sich ein eben gelandetes Marsmännchen vorzustellen und diesem einen Sachverhalt zu erklären. Bei „2G-plus“ muss das Marsmännchen seinen wie immer gestalteten Kopf schräg legen, die Augen verdrehen, ein paar unverständliche Laute von sich geben, dann den Kopf schütteln, abdrehen, ins Ufo einsteigen und ganz rasch wieder von der Erde verschwinden.
Geimpft? Deckt nicht voll ab, man kann dennoch, wenn auch geringere, Virenlast aufnehmen und weitertragen.
Genesen? Die Immunität gegen die zuletzt dominante Variante schützt nicht zwingend gegen die neue Mutante, deckt also auch nicht voll ab.
Im Theater, wo man seit einiger Zeit „2G-plus“ als erweiterte Eintrittskarte vorweisen muss, ist der PCR-Test auch nur Momentaufnahme zum Zeitpunkt seiner Durchführung (also auch nicht voll abdeckend). Und zusätzlich hat man im Saal natürlich FFP2-Maske zu tragen, übrigens immer noch ein sehr probates Mittel zum Schutz der anderen.
Man darf, ohne Gegnern, Leugnern, Verweigernden argumentativ zuspielen zu wollen, die Frage stellen, ob der PCR-Test, also das „plus“, wirklich Sinn stiftet. Wir leben seit einiger Zeit in einer Auf-Nummer-sicher-Gesellschaft, die mit einem Sicherungssystem allein nicht das Auslangen zu finden glaubt und darum mindestens doppelten, wenn nicht mehrfach Schutz, Kontrolle, Wartung, Revision (es gibt so viele Begriffe dafür) sucht, weil es natürlich auch ein Geschäft ist. So ein richtig ertragreiches Geschäft, wie es nun so richtig läuft. Ein Sprecher der Laborwirtschaft klassifizierte dieses vor gut zwei Wochen mit durchaus kritischen Tönen zur eigenen Branche als „Goldgräberstimmung“. Auch die wurde irgendwie viral.
In den Schulen Österreichs erleben wir das seit nach den Weihnachtsferien hautnah und ergebnislos. Wir haben Geimpfte, Ungeimpfte, wir tragen Masken und wir greifen zurück auf Antigen-Tests. Wir haben Infizierte, Erkrankte, Genesene. Das „Käseblatt“ PCR-Tests wurde zum einzigen Loch, aber das Käseblattsystem an sich blieb doch halbwegs ohne Löcher.
Löcher sind nicht nur gegeben, es wird auch versucht, solche zu bohren. Im österreichischen Handel gilt seit 11. Jänner 2022 ein „2G-Check“. Der geneigte Konsument hat spätestens an der Kassa diesen zu erbringen; wenn nicht, schließt er seinen Kauf nicht mit Bezahlen ab. Es wird quasi eine Escape-Taste des Konsums gedrückt. Dass er schon bis dahin epidemiologisch bedenklich durchs Geschäft streifte, kümmerte die Regelwerkautoren übrigens nicht. Aus meiner Familie kommt ein interessantes Erlebnis. Just vor unserer Verwandten trug sich so eine Konsumenten-Enttarnung durch das Kassa-Personal zu. Der 0G-Kunde besaß tatsächlich die Chuzpe, sich umzudrehen, er wollte der nächstbesten 2G-gesicherten Kundin, meiner Schwägerin, Bargeld zustecken, sodass sie stellvertretend für ihn den Einkauf tätigt. Sie hat das natürlich abgelehnt.
Foto: Montagmorgenritual am Besprechungstisch in meinem Büro
Kategorien:Gesundheit, Soziales Handeln