Millionen, Milliarden. Rasch einmal verdoppelt oder zumindest aufgestockt. Die staatlichen Hilfen, die genannt, dotiert, ausgeschüttet werden, wachsen endlos. Denn das Ziehen an allen wirtschaftlichen Notbremsen des Landes für ein wochenlanges Stillhalten, sodass sich das Virus hierorts bestmöglich nicht mehr verbreiten möge, hatte ein schrilles Quietschgeräusch zur Folge. Man hört es nach der Vollbremsung immer noch. Bestimmte Sparten melden weiter Finanzierungsbedarf an. Der Schaden ist enorm, hunderttausende Menschen befinden sich in Kurzarbeit, hunderttausende in Arbeitslosigkeit. In vielen Branchen gibt es auf lange Zeit nicht einmal einen kleinsten Schimmer von Hoffnung. Die temporäre Verstaatlichung des Landes in all seinen ökonomischen Kreisläufen kostet eine Unmenge Geld.
Diese gesamte Finanzierung ist freilich nur geliehen. Es sind Schulden. Diese sind zu bezahlen. Durch wen? Antwort: durch uns alle, auf Jahre und Jahrzehnte und über Generationen hinweg. Und wie?
In der Krise, die die Pandemie auslöste, zeigten sich in so vielen gesellschaftlichen Teilbereichen innovative Ansätze, die in der Normalität zuvor als niemals realisierbar galten. Ich bleibe im eigenen beruflichen Bereich: ein Digitalisierungsschub (niemals als vollwertiger Ersatz) in Sachen Unterricht oder Ferienbetreuung an Schulstandorten. Ich gehe in den Eventbereich der fetten Erlöse: Die Formel 1 hat ihren Saisonstart abgesagt, Rennen aus dem Kalender genommen oder zumindest verschoben. Ich gehe in das big business des Profi-Fußballs: Da klang plötzlich durch, dass man sich die Dimensionen von Spielergehältern und erst recht den superteuren „Menschenhandel“ mit Fußballern um Millionen an Transfersummen grundsätzlich überlegen müsse. (Natürlich lohnt es sich, in einiger Zeit noch einmal genauer hinsehen, um zu prüfen, ob vom ersten Gedanken auch tatsächlich eine Kraft zur Veränderung ausging.)
In Finanzierungsfragen stecken wir weiterhin in den alten, überkommenen Denk- und Handlungsmustern fest. Schulden machen, Kredite aufnehmen, abzahlen, Steuern wieder einführen oder erhöhen, auf Erbschaften oder Vermögen, für Millionäre – der klassenkämpferische Zugang bringt nicht wirklich den langfristigen Finanzierungsertrag, den die krisengeschüttelten Volkswirtschaften nicht nur eines Staats, sondern jedes Staats auf dem Globus brauchen.
Wann, wenn nicht jetzt, ist der Moment für eine globale Finanztransaktionssteuer gekommen! Wann, wenn nicht jetzt, muss eine vereinheitlichte Konzernbesteuerung umgesetzt werden, sodass die Verlagerung von Gewinnen in Länder, in denen die Besteuerung günstig ausfällt, obsolet wird? Wann, wenn nicht jetzt, lassen sich im Zuge dieser Restrukturierung auch alle Steueroasen schließen, da das Anreizsystem sich niederzulassen, wo das immer verfügbare Gemeinwohl nicht so sehr (oder vielleicht gar nicht) in der eigenen Geldbörse spürbar wird, aus der Zeit gefallen ist? Jede und jeder hat mit ihrem bzw. seinem Einkommen auch eine Verantwortung für die Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen wie beispielsweise des Gesundheitssystems. Wann, wenn nicht jetzt, in Zeiten einer schrecklichen Erosion am Arbeitsmarkt, die höchst wahrscheinlich zu einer Neuverteilung von Arbeitszeit auf alle Erwerbstätigen führen muss, gehörte die Besteuerung des Faktors Arbeit zurückgenommen, sodass bei einer zukünftig geringeren Wochenarbeitszeit und Bezahlung mehr netto vom brutto bleiben kann, um sich seine Existenz zu sichern? Im Gegenzug ist die Zeit reif für ein Paket von ökologischen Steuern, eine erste wäre wohl die auf Kerosin. Ja, Fliegen darf deswegen sehr gerne wieder teurer werden, nicht nur der Finanzierung der aktuellen Wirtschaftskrise, auch des ökologischen gesicherten Vorankommens wegen. Wohl scheint es in diesen Tagen so, als kickte das Coronavirus die Klimakrise aus unseren Agenden und Gedächtnissen. Synergien in der Bewältigung beider zeichnen sich ab. Sie scheinen nicht nur möglich, sie sind nötig.
Was hält uns auf? Das Dürfen. Wer verbietet es?
Das Wollen und dazu das Können? Wenn man auf so manche Performance staatlicher Leadership in diesen Tagen schaut (Amerika als extremes Beispiel, Großbritannien würde ich in Europa dazu nehmen, die Türkei, Brasilien natürlich), muss man leider zugestehen: Ja, leider, daran kann es scheitern.
Was muss passieren, dass die Populisten zur Räson finden? Damit sind wir übrigens bei einer Aufgabe der Gegenwart, die schon vor der Pandemie gegeben war. Das Coronavirus gibt ihr nur drastische Schärfe.
Foto: Pexels/Free Photo Library
Kategorien:Gesundheit, Politik, Soziales Handeln
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