Es ist schon klar. Die Politik kann es weiterhin niemandem recht machen. Jenen, die schon lange nach dem Ende der Maskenpflicht rufen, ist die Entscheidung viel zu spät getroffen worden, mit 1. Juni in Österreich nun für drei Monate die Maskenpflicht (gemeint FFP2-Maske) auszusetzen. Nun fällt sie auch in jenen Bereichen, die für den Alltag wichtig sind und darum eben Menschenansammlungen produzieren, im Lebensmittelhandel und in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Die anderen sind skeptisch. Ich zähle mich zu diesen. Denn ich vertraue der Politik und ihrer immer seltener rational nachvollziehbaren Argumentation für ihre Entscheidungen nicht mehr. Vor allem achtet mir die Politik viel zu wenig auf den Kontext ihrer Maßnahmen. Denn darin liegt auch Stimmungsmache in der Bevölkerung. Als Beispiel: die Gesetzwerdung einer Impfpflicht gegen Covid. Nur der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer kritisierte, diese legistische Regelung komme viel zu spät. Warum habe man sich nicht mit ihrer Entwicklung beschäftigt, als es auf die Stunde Null des Impfens zuging, also schon im Dezember 2020? Im Frühjahr 2022 handelte es sich dabei nur noch um Showtime-Politik. Man tut was, ohne Wirkung, oder falls, dann mit der falschen. Gesetz beschlossen und stillgelegt: Die Gegner jubelten.
So verhält es sich nun auch mit dem Aussetzen der Maskenpflicht im Sommer – mit „Atempause“ bezeichnet, was hoffentlich nicht semantisch ambivalent und darin zynisch wird, wenn in einer neuen Covid-Welle wieder viele um Atem ringen.
Die Show, die der aktuelle Gesundheitsminister liefert, arbeitet mit der vorzeitigen Absage der Maskenpflicht (die aktuell geltende Verordnung wäre erst zum Schulschluss am 8. Juli 2022 ausgelaufen) all jenen zu, die sich in den vergangenen Wochen schon selbst von der Maskenpflicht an den oben zitierten Orten befreit haben. Stilles, sich wechselseitiges Beäugen zwischen jenen, die sich noch in der Disziplin der geltenden Regel übten und jenen, denen es schon herzlich egal geworden war, gehörte im Supermarkt oder in der Straßenbahn schon zum Alltag. Diejenigen, die natürlich in den tropischen Atmosphären eines klimawandelgeprägten Frühlings in Mitteleuropa schwer hinter der FFP2-Maske schnauften, suchten Blickkontakt zum Personal, das ebenso vor dem Mund bewehrt, unaufgeregt seiner Arbeit weiterhin nachging. Wenn man dieses ansprach und ums Einmahnen bat, hörte man, dass man es aufgegeben hatte. Man hat genug Dosis aufbrausender Aggressivität von den Masken-Renitenten abbekommen.
Nun also ein zweiter Triumph für die Disziplinlosen, die Widerständler. Die Gegner wiegen sich mit ihren selbst getroffenen Einschätzungen zunehmend auf der „richtigen“ Seite. Denn die Politik folgt in den Entscheidungen ja ihrem Willen. Ich glaube, dieses Phänomen kann uns im weiteren Pandemieverlauf nochmals richtige Sorgen bereiten.
Wenn wir wie schon aus dem Sommer der Jahre 2020 und 2021 herauskommend erkennen, dass die vermeintlich saisonbedingte Befriedung unserer Beschäftigung mit dem Coronavirus und seinem Treiben mit leichten Anstiegen der Infektionen der Vorbote dafür ist, was im Herbst dann für exponentielles Wachstum sorgt, werden die nächste Wellen anrollen.
Aber jetzt sind wir alle einmal ganz locker. Übrigens sonst eine wunderbare Eigenschaft der österreichischen Mentalität: Mittlerweile leben neun Millionen Individuen im Modus des Konjunktivs, mit dem man sich alles so richtet, wie es jeder und jedem ins eigene Weltbild passt. Wir lieben das Spiel mit den Möglichkeiten. Immer gern! Und auch überall. Nur im Pandemiemanagement nach 27 Monaten sollte nicht mehr das experimentell Mögliche zählen, sondern das wirklich Notwendige.
Foto: Drei Monate „Atempause“ von einem wichtigen Accessoire, simpel und sehr zweckmäßig. Den Preis für diese Lockerung zahlen wir wohl im Herbst.
Kategorien:Gesundheit, Soziales Handeln
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