Ich lerne ja gerne über mich dazu, wofür die Spiegel unserer digitalen Echokammern auch taugen. Denn da las ich vor wenigen Wochen auf Facebook das Geständnis einer seit langen Jahren lieben Bekannten aus Vorarlberg zum genannten Begriff, ihr Outing sozusagen. Ich ziehe heute damit nach – ja, auch ich bin Tsundoku.
Tsundoku ist ein Begriff aus dem Japanischen, der sich, so wissen elektronische Nachschlaghilfen, in der Meiji-Ära (1868 bis 1912) ausgebildet hat, ein Kompositum, das aus zwei verschiedenen Wörtern verschmolzen worden ist: „Tsunde-oku“ heißt, dass Dinge für später gestapelt werden, „Dokusho“ steht für „Bücher lesen“. Beides zusammen, eben „Tsundoku“ oder auch mit anderer Endung, „Tsundoko“, bedeutet der „Bücherstapel für später“. Streng genommen ist damit der gemeint, den man sich nur angeschafft und nie durch Lektüre abzubauen erwogen hat. So lautet die Dogma-Variante für fanatische Tsundoku-isten!
Ich präsentiere meinen Lesestapel für später, der im heurigen noch jungen Jahr 2020 lesend geschrumpft werden soll (mal schauen, was davon stehen bleibt). Die Top 10 also, der Spannung wegen in gestürzter Reihenfolge:
(10) Sir Ken Robinson: Out of Our Minds – Learning to be Creative; da gibt es heuer einen konkreten Anlass, der mich zur Lektüre anhält, die Aufenthaltsdauer dieses Buchs im Stapel läuft ab!
(9) Emine Sevgi Özdamar: Der Hof im Spiegel, Erzählungen; dieses Taschenbuch fand mit einer Einkaufstour türkischer Literatur vor meiner Istanbul-Reise 2008 in meine Buchregale. Ich versank dann so in Orhan Pamuk, dass mich jetzt das schlechte Gewissen drückt. Ich lese dich bald aus dem Stapel für später, schmales Taschenbuch!
(8) Peter Sloterdijk: Du musst dein Leben ändern; das habe ich zu lesen begonnen und bin dann in der Lektüre stecken geblieben (siehe Lesezeichen).
(7) Helene Flöss: Dürre Jahre; eigentlich ein sehr schmaler Erzählband, laut eingetragenem Kaufdatum 19 Jahre in meiner Bibliothek; ich weiß, das Kaufmotiv war das Thema, die Suche nach literarischen Verarbeitungen von Essstörungen, konkret der Magersucht.
(6) Malcolm Gladwell: Die Kunst, nicht aneinander vorbeizureden; relativ neu im Stapel und sicher nicht lange drin.
(5) Garrison Keillor: Radio Romance; mit Sicherheit der Ladenhüter meines Stapels für später, gekauft vor 29(!) Jahren (Ersterscheinungsjahr in deutscher Übersetzung 1991), weil ein guter Freund so für Autor und den beißend satirischen Plot schwärmte, zu wenig Impuls fürs eigene Lesen bisher.
(4) Libuše Moníková: Schloß, Aleph, Wunschtorte, Essays; Klassiker – gekauft, zu lesen begonnen, nicht hineingefunden, Stapel!
(3) Leo Perutz: Der Marquis de Bolibar; so sehr ich seine zeitgeschichtlichen Romane verehre, detailliert studiert (und unter anderem in meiner Magisterarbeit einen literatursoziologischen Aspekt erforscht) habe, liegt dieser historische Roman vom verehrten Leo Perutz im Stapel (ja, ich schäme mich jetzt!).
(2) Mihaly Csikszentmihalyi: Flow – Das Geheimnis des Glücks; ein Klassiker und immer noch nicht gelesen (den Autorennamen kann ich dank Lautschrift im Klappentext tadellos aussprechen!).
(1) Robert Musils „Der Mann ohne Eigenschaften“: ja, ein Opus magnum und ein doppeltes Versäumnis bisher; denn sowohl als belesener Österreicher und erst recht als Literaturwissenschaftler gehörte (Konjunktiv!) die Lektüre der ohnedies nur 1.435 (!, ohne Varianten und wissenschaftlichem Apparat) Seiten zu einer längst zu erledigenden Pflicht. Sie steht schon ein paar Jahre auf meiner „bucket list“!