In diesem Moment (dieser blog-post ging um 17:00 Uhr online) überquert ein Airbus A340 der Lufthansa den Atlantik. Sein Ziel ist New York. An Bord befindet sich das Bruckner Orchester Linz. Übermorgen Dienstag beginnt es mit einem Konzert zum 80. Geburtstag von Philip Glass in der New Yorker Carnegie Hall seine Amerika-Tournee. In der ersten Woche der Tournee wird das Orchester von Journalisten begleitet. Sie berichten in den traditionellen Printmedien. Eine unter ihnen, 18 Jahre jung, filmt. Sie produziert Videos (sogenannte „vlogs“) und wird diese auf ihrem YouTube-Channel veröffentlichen. „Keiner meiner Generation kennt Philip Glass“, sagt die Jungjournalistin, die mit ihren medialen Möglichkeiten nun jene anspricht, die das Bruckner Orchester gewiss nicht in dominanter Mehrheit zu seinem Stammpublikum zählen darf.
Fragt man – mein Lehrerberuf lässt dies zu – was Jugendliche, die knapp vor der Jahrtausendwende geboren worden sind, aus freien Stücken an Veranstaltungen und Events besuchen, so werden Kino oder Konzerte je nach „must see“ der gegenwärtigen Musikszene genannt (im Herbst 2016 war dies beispielsweise der Auftritt von „twenty one pilots“ in Wien). In Museen geht man bevorzugt während einer Stadtreise, Volksfeste je nach jahreszeitlicher Ausprägung (Feuerwehrfest im Sommer, Adventmarkt im Winter) besucht man in der engeren Heimat. Ein sogenanntes „klassisches“ Konzert findet sich da nicht. Bestenfalls wird im Verständnis dieser Zielgruppe Klassik gleichgesetzt mit dem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, das die Familie im Fernsehen schaut. Selbst eher nicht, so einen Neujahrsvormittag verbringt die „late-born-in-the-nineties“-Generation nach der Silvesterfeier mit Schlafen.
Die Vertreter der sogenannten „Hochkulturszene“, wie sie der Soziologie Gerhard Schulze vor mehr als zwanzig Jahren in seinem Buch „Die Erlebnisgesellschaft“ definiert hat, müssen sich eingehend darum kümmern, ihre Publika neu zu definieren. Dabei handelt es sich auch um jene zentrale Aufgabe, die Bogdan Roščić als designierter Direktor der Staatsoper Wien ab September 2020 bewerkstelligen muss: „Staatsoper 4.0“ hieß das vor Weihnachten in seiner Präsentation.
Auch das Bruckner Orchester Linz steht vor der Herausforderung, all jene, die es schätzen, hören und seine Konzerte besuchen, zu erweitern und zu verjüngen. Auch das Bruckner Orchester muss sich vielseitig für seine Publika präsentieren. Dazu zählt die hervorragende Vermittlungsarbeit für Kinder, die es leistet. Und da kommt mit einer 18-jährigen Vloggerin im Tross der Amerika-Tournee 2017 eine geniale Facette hinein. Sie verspricht einen frischen, unverstellten Video-Blick auf die Genialität des gemeinsamen Musizierens in einem Orchester und insbesondere auf die enge Kooperation des Klangkörpers mit Philip Glass dank der engen Freundschaft seines Chefdirigenten Dennis Russell Davies zum amerikanischen Komponisten. Zu Glass‘ Geburtstagskonzert hat sich übrigens einiges an Prominenz angesagt.
Watch out for „loopediwoop“, so heißt ihr YouTube-Channel.