Film

Die Wunden der Vergangenheit verbinden

Adèle Haenel als Zazie und Lars Eidinger als Totila in "Die Blumen von Gestern" - Foto: Dor Film/Filmladen

Adèle Haenel als Zazie und Lars Eidinger als Totila in „Die Blumen von Gestern“ – Foto: Dor Film/Filmladen

Das muss man sich trauen (können): Nämlich einen Film in – oder zwischen – zwei Genres zu setzen, Komödie und Drama. Die charakterliche Zeichnung der Protagonisten huldigt einem Woody Allen, die Figuren handeln im Historikerfeld rund um den Holocaust und der rote Faden, dem die Handlung folgt, spinnt sich zu einer für Wissenschaftler eigentlich routinierten Aufgabe hin, der Organisation eines Kongresses. Im konkreten Fall macht das die „Zentrale Stelle Ludwigsburg“ und der Kongress behandelt Auschwitz.

Totila Blumen ist Holocaustforscher, seine wissenschaftliche Verbissenheit treibt ihn stets rasch an den Rand eines „neuralen Überfalls“ (Daniel Goleman) – und darüber hinaus. Dann übernimmt bei ihm das limbische System. Sein Handeln aus purer Emotion wird zerstörerisch (was ihm nachher natürlich Leid tut) und bedingt einige jener komischer Grundsituationen, in der Autor und Regisseur Chris Kraus eine Geschichte darüber erzählt, wie die Verantwortung für Geschehnisse im Nationalsozialismus in die zweite Generation nachwirkt. Die „Zentrale Stelle“ bekommt eine Praktikantin aus Frankreich, Zazie macht keinen Hehl aus ihrer Ablehnung gegenüber allem, was deutsch ist. Totila und Zazie müssen zusammenarbeiten. Die jeweiligen Traumata der Figuren scheinen das Ungleiche und auch Unversöhnliche im Konflikt zu betonen, bis sie entdecken, welche Wunden der Vergangenheit sie verbinden. Fortan arbeiten sie an ihrem gemeinsamen Heilungsprozess.

„Die Blumen von gestern“ ist ein wagemutiges filmisches Experiment, mit vielen glanzvollen Szenen, die den komödiantischen Anspruch in Dialog und Bildsprache pointiert umsetzen, und mit denen gelingt, unserer Zeit und ihrem „rechten Wahnsinn mit allen Mitteln die Stirn zu bieten (…) warum also nicht mit Mitteln anarchischer Fröhlichkeit“ (Regiestatement). Ob diese nicht dann und wann maßlos wird (andererseits darf Anarchie das), muss jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden. Einig wird sich das Publikum gewiss darin sein, dass der Film grandios besetzt ist: den Cast führen Lars Eidinger als Totila Blumen, Adèle Haenel als Zazie, Hannah Herzsprung als Totilas Gattin und Jan Josef Liefers als Institutsleiter Balthasar Thomas an.

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