Diese seltsame Devise breitet sich aus. Nicht, dass sie sich zwingend bewahrheitet. Zunehmend fällt uns wirklich schwer, den Störenfrieden Gehör zu schenken. Unser guter Wille, unsere Geduld, die erzwungene Aufmerksamkeit wurden bereits überstrapaziert. Das natürlich sehr wichtige Thema wird dabei leider verspielt.
Gestern vor einer Woche, also am Samstag, 18. November 2023 etwa: Da war es beim Slalom der Herren in Gurgl (Tirol) neuerlich soweit. Diesmal während des zweiten Durchgangs, noch fünf Läufer am Start: Aktivisten der „Letzten Generation“ dringen in den Zielraum ein, sprühen orange Farbe (aus Maisstärke, wie sie später erklären) in den Schnee – wozu eigentlich genau? – und sie blockieren den Raum fürs Abschwingen der Rennläufer. Zehn Minuten Unterbrechung.
Wir sahen Videoaufnahmen des zornigen norwegischen Slalomspezialisten Henrik Kristoffersen, der den Aktivisten wohl nicht nur seine Meinung sagen wollte. Wir erlebten, dass die danach verzögert gestarteten Rennläufer diese erzwungene Pause doch nicht so wegstecken konnten. Die Fokussierung von Geist und Körper auf Leistungsspitze wurde gestört. Seitens der FIS-Rennleitung negiert man das. Natürlich, man kann schlecht zugeben, welche Auswirkung die Aktion nach sich zog. Das Resultat des Rennens stimmte nicht. Ich schreibe das, weil mich das rein österreichische Podest darum nicht wirklich freuen mochte.
Damit ist das Problem des Klima-Aktivismus einmal mehr deutlich herausgearbeitet. Er trifft die falschen. Wieder, die Aktivisten lernen hier nichts dazu.
Darum wenden sich ihre eigentlichen Sympathisanten zunehmend ab oder gegen sie. Lassen wir hier die Causa Greta Thunberg beiseite, die sich mit ihren unhaltbaren Äußerungen zum Nahostkonflikt demontiert und „FridaysForFuture“ ruiniert! Nur wer stört, wird gehört. Welch kleingeistige Philosophie im Klima-Aktivismus! Am Montag darauf legt er den Morgenverkehr nach Wien lahm, stundenlang. Das freute die Pendlerinnen und Pendler wohl genauso wie die Profi-Schisportler, die sich längst nachdenklich, reflektierend und auch handelnd bewegt haben: Im Schisport unterzeichneten in der vergangenen Saison zahlreiche Athletinnen und Athleten eine Petition an die FIS für mehr Nachhaltigkeit in der Organisation des Weltcups, etwa in der Logistik bei Rennen in und Reisen nach Übersee (Bündeln von Terminen). Kleine Schritte wie das Sanktionieren des Gebrauchs von Schiwachs mit zu hohem Fluorgehalt durch Disqualifikation erscheinen vielleicht läppisch. Sie sind der Anfang, darin wichtig, weil auch von Signalwirkung.
Der Klima-Aktivismus wäre ja bei einer anderen Station des Schiweltcups, zeitlich parallel zum Slalom im hinteren Ötztal in Tirol, besser aufgehoben gewesen. Das Prestige-Projekt des amtierenden FIS-Präsidenten Johan Eliasch am Matterhorn bettelte um Auftritte der „Letzten Generation“, bekam diese aber nicht. Trotz sonst schön gelebter Demokratie und freier Meinungsäußerung in der Schweiz! Da geht es um Speed-Rennen im hochalpinen Raum, natürlich auf Gletscher und das zu Herbstzeiten, wo Schisport sicher nicht von der Natur gegebene Grundlagen finden kann und wird.
Zweimal nun, jeweils zur Novembermitte 2022 und 2023, bemühte sich der Weltcup-Tross im Zeichen von wirtschaftlichen Aspekten und Vermarktungsinteressen ums Rasen auf Brettern in Zermatt. Alle Rennen wurden aus Sicherheitsgründen abgesagt.
Wie Funktionäre und Organisatoren ticken, spiegelt sich in ihrer Sprache: „Die Absage ist absolut gerechtfertigt. Das Risiko, beim Sprung eine Böe zu erwischen, war einfach zu hoch“, erklärt der OSV-Chefcoach der Frauen, Roland Assinger gegenüber orf.at (abgerufen am 19.11.2023, 14:00 Uhr). Was ist am Berg zuerst da, der Sprung mit Schiern oder die Böe aus herbstlichen Wettersituationen weit über 3000 Meter Seehöhe? Dass da noch einiges an Arbeit, umdenken zu lernen, gefordert ist, beweist auch dieses Zitat des FIS-Renndirektors zu den Absagen: „Die Natur ist einfach stärker gewesen“, erklärte Peter Gerdol im ORF-Interview (Quelle, siehe oben).
Wer sagt ihm, dass die Natur immer stärker ist? Und dass wir uns nach der Natur richten sollten, nicht umgekehrt. Eigentlich eine Sache des Hausverstands, den es bei der FIS nicht gibt. Bei der FIFA auch nicht, wir erinnern uns kurz an die Fußball-WM in Qatar und verbieten uns, das Turnierkonzept des Herrn Infantino für 2030 – WM auf drei Kontinenten! – ernst zu nehmen.
Die großen Sportverbände könnten beispielhaft vorangehen. Das geht wohl nur, wenn man den Größenwahn ihrer Führungsköpfe lahmlegt. Wie das gelingen könnte? Nicht mit braver Gefolgschaft wegen des vielen Gelds, um das es in manchen Sportdisziplinen geht. „Irgendwann spielen wir am Mount Everest“, kommentierte Fußballtrainer Marco Rose die Entwicklung. Das wird wohl so kommen. Zuvor vielleicht ein Schirennen dort?
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