Den Haag, dort Vermeers „Das Mädchen mit dem Perlohrengehänge“, in Potsdam Monets „Les Meules“ (Die Getreideschober), in Berlin musste zuletzt im Naturkundemuseum ein Dinosaurier dran glauben: Es geht um, höflich gesagt, verirrten Aktionismus, der Museen etwa auch in London oder Florenz heimsucht, wenn junge Leute meinen, auf mangelnden Klimaschutz bzw. ausbleibende Maßnahmen gegen den Klimawandel hinweisen zu müssen. Dazu schütten sie auf durch Glas geschützte Kunstwerke Kartoffelbrei oder Tomatensuppe und befestigen sich zugleich mit Klebstoffen an diesem vollbrachten Symbolvandalismus.
Wenn dieser Aktionismus etwas zeigt, dann ja wohl das, dass hier alles schief geht – Gott sei Dank, hat dieser verzweifelte Protest noch nicht Kunstwerke im Auge, denen nicht Schutzvorrichtungen schadenabwehrend vorgeschaltet sind. Auch das Sich-Festkleben als Quasi-Autorisierung ist nicht wirklich von großer Dauer. Zumeist hält der Klebstoff nicht, was er verspricht. Man führt die Leute ab, sie werden verhaftet, vernommen, angezeigt.
Lernt von den Generationen vor euch, die sich wie etwa 1984 in der Hainburger Au östlich von Wien an Bäume ketteten, damit diese nicht für ein Kraftwerk umgeschnitten werden! Oder die sich Mitte der neunziger Jahre an Geleisen fixieren ließen, um den Transport von Atommüll nach Gorleben zu verhindern.
Verglichen dazu dilettiert der aktuelle Protest, vor allem am falschen Platz. Natürlich wird darüber geredet oder geschrieben. Es bleibt nicht viel von ihm übrig, außer neben hoffentlich unversehrtem Kulturgut ein beträchtlicher Imageschaden. Den fügen sich die Kampfgeister gegen Klimawandel in ihrem sinnbefreiten Aktionismus selbst zu. Mit ihrem Handeln in Museen vergraulen sie sich eine Lobby, die inhaltlich – anzunehmen wahrscheinlich mehrheitlich – auf ihrer Seite steht. Es sind Menschen, die die Einschätzung teilen, woran es klimapolitisch gerade fehlt. An der notwendigen Wende.
Der beginnende Winter 2022/2023 hätte gute Voraussetzungen gezeigt, dass sie beginnt. Nun doch gesicherte Gas-, Kohle- und Atomenergiereserven für die kommenden Monate haben den Impuls der Veränderungskraft sehr schnell abflauen lassen. Die Menschheit denkt und handelt weiterhin nur kurzfristig.
Darum hat wohl Verzweiflung die Regie übernommen. Es ist schon klar, im Herbst 2019 noch gehörte euch die Straße, um aufmerksam zu machen, wohin das Weitertrotten im alten Takt den Planeten führt. Ihr habt die Freitage genutzt, um eure Sorgen um die Zukunft zum Ausdruck zu bringen. Dann kam die Pandemie und die Gegnerscharen zu den Maßnahmen haben euch die öffentliche Bühne gestohlen. In der Rückeroberung einer Themenhoheit haben Fridays-For-Future-Teilorganisationen, Beispiel Hannover, aber schon im Frühjahr 2022 seltsame Böcke geschossen. In der Reise zurück auf den Pfad, der viele mobilisieren könnte, bis hin zur notwendig kritischen Masse, verliert ihr nun in den Museen den roten Faden eurer Erzählung: Dabei bieten sich große, medial viel beachtete Schauplätze demnächst an, Katar etwa, wenn in vierzehn Tagen der Aberwitz einer Fußballweltmeisterschaft in vollklimatisierten Stadien beginnt. Da reden wir vielleicht zugleich bitte auch über die Menschenrechtsverletzungen im Land und über tausende tote Arbeiter, die auf den Baustellen für diesen Event zu beklagen sind.
Oder bei der heute beginnenden Klimakonferenz, ja wieder einer, im vor Jahrzehnten in die ägyptische Wüste hingeknallten Tourismusort Sharm el-Sheikh: Wieder werden dreizehn Tage lang (oder in Ermangelung von Konsens mit Überzeit) geduldig Worte, Sätze, Texte formuliert, von einem Jet-Set, der dazu aus allen Himmelsrichtungen angeflogen kommen muss und mit einem Ergebnis, das genauso wie jene zuvor lächerlich erscheint angesichts all dessen, was überfällig zu tun ansteht.
In genau dieselbe Lächerlichkeit gleitet euch der Widerstand ab, den ihr leisten wollt, wenn ihr Nahrungsmittel auf Kunstwerke werft und euch dazu dort wie ein Post-it dazuklebt.
Es ist dringend an der Zeit, sich zu besinnen. Trotz Verzweiflung taugt Vandalismus absolut nichts als Kommunikationsmittel. Schon gar nicht der gegen Kunst.
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