Nächste Woche ist es wieder so weit. Ich werde die Jahresabrechnung 2022 meines Gasverbrauchs dem Briefkasten entnehmen. Der Pulsschlag wird sich leicht erhöhen. Noch nie zuvor war die Unsicherheit so groß. Was wird als Gesamtrechnungsbetrag ausgewiesen sein? Und zwar im Vergleich zu dem, was ich mir selbst errechnet habe?
Denn das Jahr 2022 war lange Zeit bestimmt durch monatliche Verständigungen zu den Preissteigerungen des sogenannten Arbeitspreises, bemessen an dem, was mein Versorger im Einkauf dafür zu bezahlen hatte. Und, ja, so fair muss man als Kunde sein: Die soziale Haltung des Unternehmens war in Zeiten der Teuerung vorbildlich und entsprach der Tugend, die sich meine Heimatstadt Steyr (Oberösterreich) hochhält, Bis zu 33 Prozent schoss die öffentliche Hand (in Gestalt einer Tochterfirma der Stadt) zum Preis zu, den sie an den Energiebörsen via Großhandel (in Österreich also OMV – zu deren Rekordgewinn 2022 ein anderes Mal mehr!) bezahlen musste. Nur kommunizierte sie dies nie deutlich, meiner Meinung nach ein strategischer Fehler. Man hätte mit mehr Transparenz zur gewählten Vorgangsweise wirklich und verdienterweise Gut-Wetter-Stimmung verbreiten können und dürfen. Insbesondere wäre wohl unter den Kunden Verständnis zu gewinnen gewesen, warum die Preise hoch sind und hoch bleiben. Denn wir hängen in der Preisfalle, zumindest immer zwei Monate voraus, denn so weit greift der Einkauf samt Preis voraus.
Nach dem Spitzenwert an der Amsterdamer Gaspreisebörse vom 26. August 2022 (343 Euro für die Megawattstunde) fiel der Preis und notierte zuletzt beispielsweise am 27. Jänner 2023, also fünf Monate später, bei 55 Euro. Interessanter Vergleich übrigens: Am 28. Jänner 2022 lag der Preis bei 88 Euro für die Megawattstunde.
Das letzte Schreiben meines Versorgers stammt vom 6.9.2022, ein letztes Lebenszeichen mit der Botschaft einer neuerlichen Erhöhung. Seither wird eisern geschwiegen, weil der Arbeitspreis, ich nehme den Wert vom 27. Jänner 2023, halt auch um 337 Prozent über dem liegt, was Gas gerade kostet (so manche Faktoren beeinflussen den Preis längst nicht mehr, zum Beispiel eine „knappe Versorgungslage“, nicht einmal Löcher in drei von vier Nordstream-Pipelines haben ihn gepusht).
Den weiterhin (zu) hohen Preis kann man natürlich auch so verstehen, dass wir Kunden jetzt die soziale Stützung aus den Zeiten, als das Energieprodukt wirklich teuer war, zurückfinanzieren. Es stimmt allerdings nicht zusammen mit jenem Satz, der beispielsweise noch im Schreiben vom 3.8.2022 angeführt worden ist, nämlich: „Wir versichern Ihnen, eine Trendumkehr in Form einer Preissenkung zeitnah an Sie weiterzugeben.“ Zeitnah! Da bleibt offen, was mein Versorger konkret darunter verstehen will.
Trotz des EU-Spargebots von 25 Prozent im Verbrauch und/oder des nationalen Appells von elf Prozent Reduktion: Wo schon nichts mehr durch den Brenner geht, bleiben die Wohnungsräume EU- oder national-konform unterkühlt (ich machte für mich nur die Ausnahme anlässlich einer Woche Krankenstand im Dezember). Das heißt also: Man hat so wenig wie möglich konsumiert und zahlt dafür kräftig. Lieber würde ich (Mieter) Geld in alternative (zu den fossilen) Energieformen investieren. Ich bin darin aber wie viele andere, darunter auch genug, denen die aktuell wahnsinnige finanzielle Belastung existenziell schwer zusetzt, abhängig von einem großen Umrüstprozess der Vermietenden. Der wurde zwar politisch im vergangenen Herbst einmal kurz andiskutiert, sein Start wird noch länger auf sich warten lassen.
Bis dahin heißt es tief(er) in die Tasche greifen. Rama wurde in der vorletzten Woche mit dem Attribut „Mogelpackung des Jahres 2022“ geehrt. Plötzlich gibt es um 100 Gramm weniger in einem Becher (400 statt 500), der Preis aber blieb gleich. Gaskunden in ganz Europa finden dafür nur zwei Wörter – lächerlich und läppisch!
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