Sie sind in diesen Tagen unter uns. Noch. Das darf man, das muss man hinzufügen. In diesen späten Jännertagen beginnt, was sich mathematisch als exponenzieller Zerfall darstellen ließe. Dieser trifft zuerst den Willen, dann die Disziplin, zuletzt den Vorsatz, gefasst natürlich zum guten neuen Jahr, „in dem mache ich mehr Sport.“
In der ersten Jännerhälfte zeigt es sich in den Sportstätten, die der Jahreszeit folgend genutzt werden können, in voller Härte, also natürlich in den Hallenbädern, aber auch in Fitnessstudios und verschiedenen von Vereinen genutzten Turnhallen. Rapide steigen Auslastungszahlen in lichte Höhen, weit über jahresdurchschnittliches Frequenzniveau. Das spiegelt sich im zweifachen Geschiebe: zuerst auf Parkplätzen vor den Sportstätten, denn plötzlich muss der geneigte Ganzjahrestrainingsroutinier das Freiwerden von Parklücken abpassen. Im Garderobenbereich passiert dann Ähnliches mit der Verfügbarkeit von Kästchen oder Schrank. Beim Sport selbst belauscht man unfreiwillig den Stolz, wechselseitiges Schulterklopfen, das sich im Dialog etwa so verbalisiert. „Ich habe mir vorgenommen, zweimal pro Woche zu gehen, ist aber nur Dienstag und Donnerstag möglich, sonst ist ja hier Spezialtraining“, der andere: „Ich habe mir nie vorstellen können, dass ich so einen Spaß dabei habe.“ Der eine: „Man wird so anders müde.“ Nochmals der andere: „Und das Essen schmeckt danach viel besser.“
Outdoor sieht man verbissen der Witterung trotzende, gut vermummte angehende Radrennfahrer, wohl im frühen Trainingsstadium für die Tour de France. Sie trotzen wirklich gut ausgerüstet (hat das Christkind einiges an Equipment gebracht?) Schnee, Wind, Kälte, nur um dem eigenen Vorsatz gegenüber nicht zu früh in die Knie zu gehen. Ebenso hoppeln jene, die sich mit Neujahr neu dem Laufsport verpflichtet haben – man erkennt sie ebenso am Glanz der Farben ihrer neuen Sportkleidung (Christkind!) – bei Graden um den Gefrierpunkt über die Lauftrails der eigenen Wohnumgebung. Das Tröpfchen fällt von der deutlich rot gefrorenen Nasenspitze ab, wenn sie mit dem Leuchten der Tapferkeit in den Augen mit diesen Kontakt suchen und kollegial nicken, irgendwie um Anerkennung von mir flehend, der ich bei diesen Außentemperaturen das forcierte Schritttempo, unterstützt von Nordic-Walking-Stöcken, bevorzuge. Unter fünf Grad Lufttemperatur zu laufen, ist medizinisch nicht vertretbar. Die Lunge brennt, es raubt Energie, die Lungenbläschen kämpfen mit der Kälte, gar nicht gut. Der Trainingseffekt ist weitaus geringer als das Risiko der nahen Erkrankung, mit der der Körper signalisiert, dass das plötzliche sehr fleißige Aktivieren vielleicht halt schon auch komfortablere Bedingungen benötigt.
Zwei Phänomene sind es wohl, die spätestens in Kalenderwoche vier den Zerfallsprozess von Willen und Disziplin der Vorsatzsportler (übrigens: bewusst nur männlich, denn diese Gruppe ist dominant) starten. Einerseits bremsen gewiss Erkältungskrankheiten den Bewegungsneustart zum unsinnigsten Datum im Jahr ein. Kein Wunder, erfolgt er doch zur witterungstechnisch schlechtesten Zeit (warum nicht Vorsatz zum Frühlingsbeginn?) und die plötzliche Überdosierung schlägt kräftig zu. Für mich sind die Monate Dezember bis Februar auch dem Lauf der Natur folgend jene, in denen ich mich zwar sportlich betätige, aber eben angepasst zur Witterung. Die Natur ruht und keimt neu. Das darf ich in meinem sportlichen Leistungspotenzial und Ehrgeiz gerne aufnehmen.
Andererseits erkenne ich, dass an einem beispielsweise angestammten Trainingstag meinerseits, Dienstag, der Passivsport vorm Fernsehbildschirm wieder regulierend eingreift. Es ist zuallererst immer der Nachtslalom von Schladming, von dem weg sich das Publikum in den Sportstätten wieder trennt: In jene, die als Vorsatzsportler von einem guten Veränderungswillen ein bisschen mehr als zwanzig Tage getragen zurück auf (die Fernsehcouch) ihre(r) Ausgangsposition zu Silvester zurückkehren, und jene, die ihren Willen und ihre Ausdauer nicht an einem Leitsatz festmachen müssen, den es ohne die um eins erhöhte Jahreszahl nicht geben kann.
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