Es geht irgendwie schnell. Im Vergleich zu allem, was an bisherigem Öffnen in der Corona-Pandemie versucht worden ist, scheinen Vorgehen und Entscheiden von politischer Seite nun unbekümmert. Rückblende: Es ist Dienstag nach Ostern 2020, einer empirischen Erhebung oder zumindest einer Einschätzung folgend öffnen die Bauhäuser und Gartenmärkte. Weil sich das die Landsleute so sehnlich gewünscht haben, hieß es damals. Auf Takt setzte man vor einem Jahr beim Öffnen. Eins nach dem anderen. Man wollte erkennen können, falls eine Rückkehr zu altgewohnten und liebgewonnenen Handlungsweisen unseres Alltags epidemiologisch nicht funktioniert, wo und weswegen Maßnahmen wieder gesetzt werden müssen. Vierzehntägig gingen wir vor, mit Vorsicht, und bewegten uns damit in einen Sommer, mancherorts dann mit Maske vor dem Gesicht und doch aber mit dem Ergebnis, dass die Grundlagen für den Anstieg zum Peak in der zweiten Welle eben in dieser unbesorgten, vermeintlich gesicherten Sommer-Freiheit gelegen waren. Der namhafte Wiener Statistiker Erich Neuwirth hatte diese mit- und nachgerechnet, seine Zahlen beweisen es. Eigentlich müssten wir daraus unsere Lektion gelernt haben.
Nun aber sind die täglichen Neuinfektionszahlen niedrig (ob wirklich oder nur bedingt durch Feiertage und darum reduzierter Laborkapazität, sei einmal dahingestellt). Die Inzidenzen sinken. Die Krankenhäuser kümmern sich aber immer noch um hunderte Covid-Patienten und mehr als genug brauchen weiterhin intensivmedizinische Betreuung.
Wir öffneten am 19. Mai alles gleichzeitig, wir werden am 10. Juni in allem lockerer, und noch einmal am 1. Juli. Wobei: Öffnen. Das Wort behält sich eine Ambivalenz. Die Zugangsschranken zu all dem, was nun „geöffnet“ ist, sind nicht unerheblich. Die Mindesterfordernis besteht im Vorweisen eines der „3G“ (G-enesen, G-etestet, G-eimpft) und die österreichische Leidenschaft für ein gutes Stück Bürokratie wird auch gerne und intensiv gelebt, Registrierung analog oder Online-Anmeldungen an Portalen mit Benutzername, Passwort, verifizierender E-Mail, Checks, ob man kein Roboter ist und alles Weitere, was hier technologisch gut eingeführt ist.
Öffnen? Da ist man noch gar nicht selbst in die Rolle eines Veranstalters geschlüpft und hat seine Sicherheitsmaßnahmen in einem Präventionskonzept für die Einreichung bei der Behörde verschriftlicht, wobei Abstandsmessen und -garantien bis in den Toilettenbereich hinein definiert werden müssen. Zurzeit 20 Quadratmeter für jede und jeden? Wirklich immer machbar, wirklich immer verhältnismäßig? „Öffnen“ besteht zurzeit aus einem Parcours über allerlei Hürden, die bei Veranstaltungen beispielsweise auch darin liegen, dass die geltende Verordnung bis einschließlich 16. Juni gilt und was danach kommt, noch nicht bekannt ist. Für eine Zeit ab 17. Juni besteht heute keine Planungssicherheit.
Das Wort Öffnen ist also genauso doppelschneidig wie die Argumentation unserer Tourismusministerin, die als Regierungsmitglied den Beschluss für das, was jetzt gerade gilt, beispielsweise für nur vier Personen am gemeinsamen Tisch in der Gastronomie, mitgetragen hat und nur wenige Tage nach In-Kraft-Treten mit der eigenen Regel öffentlich kritisch ins Gericht geht. Kann man nicht machen, sagte sie, geht wirtschaftlich nicht. Zur Glaubwürdigkeit von und zum Vertrauen in politische Entscheidungen trug diese Wortmeldung nicht wirklich bei.
Es muss also ein seltsamer Geist zu Pfingsten auf die Steuerleute der Republik herabgekommen sein. Er fand in einem Wettlauf darum Ausdruck, wer den attraktiveren nächsten Termin weiteren Öffnens öffentlich nennt. Der Bundeskanzler spricht im Land Tirol vom 17. Juni, der Gesundheitsminister in der Zeit im Bild 2 am Pfingstmontag vom 10. Juni. Der ist nun seit Freitag fix verkündet.
Das klingt alles irgendwie nach gekreuzten Degenklingen im parteipolitischen Fechten vor – oder schon in? – einem Wahlkampf. Es klingt nicht nach strukturiert kontrolliertem Management einer Pandemie in ihrem Auslaufen. Historische Beispiele belegen immer einen Verlauf in drei Wellen, wir haben die dritte im Frühjahr 2021 gesurft, und lesen in den Geschichtsbüchern etwa zur Spanischen Grippe von auslaufenden weiteren Wellen bei Unachtsamkeit. Wenn es bitte geht, wäre es wirklich sehr fein, ohne vierte oder gar fünfte auszukommen.
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