Wenn das Feuer des Begehrens in der Ehe zu erlöschen droht, wird – zumindest im Italien der frühen achtziger Jahre, als Dario Fo und Franca Rame das Experiment der „Offenen Zweierbeziehung“ auf die Bühne brachten – das Leben für den Ehemann so rosa wie das Hemd, das er trägt. Liebschaften ohne Ende, dirigiert vom kleinen Freund in der Hose und gerechtfertigt mit dem Argument, dass für die eigene Frau die „Achtung“ bleibt, als Upgrade geradezu eine Himmelsfahrt, denn von nun an positioniert sie sich über der bis dahin ranghöchsten weiblichen Bezugsperson des Mannes, seiner Mutter.
Seit 1983 stellen Fo und Rame die so ins Abseits geratene Ehefrau, Antonia, an die Rampe und fallweise tritt sie auch über diese hinaus, um sich für ihr emanzipatorisches Coming-Out direkt mit dem Publikum zu verbünden. Die Ehe bleibt, zumindest auf Papier, gelebt wird allerdings der offene Zweier. Der Mann blüht auf, die Frau braucht für die Selbstfindung vorerst ein Coaching des 14jährigen Sohns. Dann kommt Antonias atomarer Anschlag auf ihren Ehemann in Gestalt eines Mittdreißigers, Hochschulprofessor, Spezialgebiet Nuklearphysik, mit Anwartschaft auf den Nobelpreis.

Barbara Novotny und Thomas Bammer in „Offene Zweierbeziehung“ – Foto: Kulturzentrum Bruckmühle/Herbert Prieschl
Als Klassiker zu einem der großen Menschheitsrätsel, nämlich wie Mann und Frau miteinander kommunizieren und sich (nicht) verstehen, hat die „Offene Zweierbeziehung“ im Kanon der Zwei-Personen-Tragikomödien einen festen Platz, weil uns unser Leben tagaus tagein in der Realität Illustrationen zur fiktiven Ehekrise à la Fo/Rame beschert. Vor 34 Jahren war die Rollenverteilung klar, der Mann setzte der Frau die Hörner auf. Glaubt man Statistiken, so halten gegenwärtig die Männer der Ehe mehr die Treue als die Frauen. Sie seien es, die in den Metamorphosen des Bunds fürs Leben heute rascher nach Ausstiegsszenarien suchen. Rosa Hemd für ihn, dunkelblaues Kostüm für sie, vielleicht liegt darin die Umkehrung der Geschlechterstereotypen. Für den angekündigten Lover schlüpft Antonia ins kleine Schwarze, das sieht sodann ihr Ehemann für sich und seine Zukunft.
Aus dem Kulturzentrum Bruckmühle in Pregarten, knapp 20 Kilometer Luftlinie von Linz (Oberösterreich) entfernt, kommt die Produktion mit Barbara Novotny und Thomas Bammer, das mit Sitzgarnitur stilisierte Wohnzimmerdesign macht sie bewusst tourneetauglich. Regisseur Georg Mittendrein lässt die beiden alle Register an Modulationen von Stimme und Mimik ziehen, die der Geschlechterkampf nur hergibt, wohl auch, um seinen kulturpolitischen Impuls für die Inszenierung zu unterstreichen. Die beiden exzellenten Schauspieler waren lange Jahre im Engagement am Landestheater in Linz, dann kam ein neuer Intendant, beide wurden nicht verlängert. Man spricht bei diesen intransparenten Vorgängen von Usancen in der Theaterbranche: Können, Potenzial, Innovationsbereitschaft … warum sollte man sich mit diesen skills aufhalten oder gar beschäftigen? Mittendrein bringt zwei dem Publikum ans Herz gewachsene Schauspielkoryphäen mit der „Offenen Zweierbeziehung“ zurück in die Linzer Theaterlandschaft, die sie über Jahre hinweg auf den Sprechbühnen des Landestheaters mitgeprägt haben. Das gibt der Off-Szene noch bis 6. Mai 2017 in der Tribüne Linz einen kräftigen Impuls.
Kategorien:Kulturpolitik, Theater