Einst räsonierte Helmut Qualtinger, Simmering gegen Kapfenberg, das nenne er Brutalität. Er sah nicht, was sich am vergangenen Donnerstag am Sportplatz in Techendorf am Weißensee in Kärnten zutrug: Gäste gegen Einheimische, zum insgesamt 49. Mal, eine Fußballpartie, schärfer als ein Champions-League- oder EM-Finale.
Knapp 400 erschienene Fans, zumeist auf Seiten der multikulturellen deutschsprachigen Gästeauswahl, übten zuallererst das von Polen über Schottland nach Island exportierte „Hu!“. Der Trommelrhythmus dazu kommt vom Band über die Verstärkeranlage, über die auch der Platzsprecher sie alle einzeln namentlich vorstellt. Endlos lang ist die Kette der Spieler zur Linken wie zur Rechten des Schiedsrichtertrios. Immerhin sind auch die Reservemitspieler mit aufgelaufen. Die Gäste zuerst: aus Hamburg, St. Pauli, Köln, Graz und vom Bodensee. „Heuer ist kein Niederländer dabei“, fachsimpeln Experten auf der Rasenböschung. Beim heimischen SV Weißensee verdutzt, dass keine der verkündeten Rückennummern zum Namen des Spielers passt. Oder umgekehrt.
Es geht um den „Alpenpokal“, präsentiert auf einer Kiste Bier, um einiges schöner als der Coupe Henry Delaunay, den sich elf Tage zuvor die Portugiesen mit nach Hause genommen haben. Den Ankick nimmt Herr Bürgermeister persönlich vor. Dann wird es ernst. In Blau-Weiß die Weißenseer, in Dunkelblau-Rot die Gäste, von der Linie eingepeitscht von einem Trainer, der die Temperamentsausbrüche eines Diego Simeone (Atletico Madrid) brutal in den Schatten stellt. Das Spiel der Gäste ist strategisch klug, und doch – niemand hat’s vom Spielfeldrand wirklich gesehen und Zeitlupen gibt’s beim Live-Spiel halt nicht – pfeift der Schiedsrichter in der 20. Minute einen Elfmeter für die Einheimischen. Georg Stampfer realisiert ihn eiskalt. 0:1.
Der Applaus sei hier das Brot der Spieler, mahnt der Platzsprecher ein. Ein begeisterter weiblicher Fan skandiert darum wiederholt: „Super, Gäste, weiter so!“ Es wirkt. Zehn Minuten später bricht im exzellenten Spiel über die linke Flanke Marvin Nerz aus Hamburg durch und knallt das Leder aus zwanzig Meter unhaltbar ins Kreuzeck. 1:1.
Daraufhin geht die Flutlichtanlage aus. Während die Vereinsväter um die Rückkehr des Lichts kämpfen, lebt das Spiel in der noch hellen Sommernacht von Angriffen der Gästen vor allem über die linke Seite, von der Weißenseer Verteidigung immer wieder mal nur über die Toroutlinie gerettet. Corner! Einmal mehr tritt Nerz den Ball kräftig zur Mitte, ein blau-weißer Verteidiger nimmt ihn mit der Brust, allerdings so unglücklich, dass das Leder von dieser direkt ins eigene Netz abprallt. 2:1 für die Gäste! Diese schicksalshafte 35. Minute federn die Veranstalter nur insofern ab, als sie den Missetäter durch Anonymität schützen. Fünf Minuten später muss Hannes Hödl aus Graz mit verstauchtem Knöchel das Feld vorzeitig verlassen. In der Pause schwelgt der Platzsprecher in Erinnerungen an 48 Begegnungen aus den Jahren. Selbst jener Rechtsaußen-Verteidiger der Gäste, der 1980 bislang die einzige rote Karte gesehen hat, weilt 2016 unter den Zuschauern.
Nach der Pause pfeift der Schiedsrichter bereits in der 50. Minute ab. Die Spannung aus der Begegnung wirkte so heftig in die Atmosphäre, dass sich über Techendorf in den kommenden zwei Stunden heftige Gewitter entladen.
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