Mir ist schon klar, heute schreiben wir Faschingssonntag. Noch regiert die Heiterkeit. Zum Lachen sollte uns allen längst nicht mehr zumute sein. Spätestens seit sechs Wochen: Nein, nicht dass wir es nicht gewusst hätten, dass die Wahl des Herrn Trump ins amerikanische Präsidentenamt die politische Weltlage verändert! Werden wir uns noch wundern, was alles geht? Das war schon in früheren Zeiten einmal die Losung der Stunde. Noch darf uns vielleicht wundern, wie schnell das vor sich geht.
Wie viele Situationen pro Tag kann ein gewählter Präsident eigentlich herbeiführen, zu denen eine nicht bestimmbare, aber sicher gegebene Mehrheit der Welt – bei Amerika ist das zulässig, der historisch gewachsene Weltmachtanspruch legitimiert das – sagt: Guter Mann, jetzt reicht´s aber wirklich? Keine zwei Wochen ist es her, da bezichtigte er die Ukraine, sie habe den Krieg gegen Russland begonnen, ihr Präsident sei nicht gewählt, also Diktator. Donald reimt sich die Welt nach eigener Vorstellungskraft zusammen, und was im amerikanischen Englisch dabei so unwirsch formuliert daherkommt, nämlich „flood the zone with shit“, klingt im populärwissenschaftlichen Sprech von Kommunikationsstrategie als Weltbeherrschformel freundlicher, inklusive operativ leicht zu gebrauchender Abkürzung, die lautet „SNU“. Und das steht für „strategisch notwendigen Unsinn“.
Was haben wir vor gar nicht allzu langer Zeit darüber nur den Kopf geschüttelt, als der ehemalige Kommunikationsstratege des nahezu ins Messianische erhobenen jungen Kanzlers in Österreich in einem Buch sein Handwerkszeug offenlegte? Diese Transparenz schaffte dieses nur nicht ab. Sie transformierte es ins alltägliche unaufgeregte Futter für alle. Da wird es multipliziert und potenziert von allen Medien, die ihre Qualität nur noch in Click-Tausendern messen, indem sie „SNU“ unreflektiert und natürlich nicht nach geltenden mediengesetzlichen und -ethischen Kriterien geprüft binnen Sekunden ins Langzeitgedächtnis des alles speichernden Internets werfen. Das ist mediale Mittäterschaft statt Praxis einer vierten Macht, die wahrem Journalismus Pflicht sein muss.
Dem „SNU“ ist eigen, mit den Gesetzlichkeiten der Masse zu spielen, die da natürlich weiß, dass wenig Wahres dran ist, aber solange dem Unsinn nicht widersprochen wird, klebt „SNU“ seinen Wahrheitsanspruch an die frei erfundenen Aussagen. Je länger dieses Klebemittel da einwirkt, umso mehr entsteht das, was ich zuletzt beim Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter, Florian Klenk, als „gefühlte Wahrheit“ definiert vorgefunden habe.
Wenn wir nun die Dichte von „SNU“, oder amerikanisch gesprochen den permanenten Fluss von „shit“ betrachten, dann ermessen wir natürlich, dass mit den Reparaturen falscher Behauptungen und Ansprüche kaum nachzukommen ist. Und so rennt das Spiel zu einer „neuen Weltordnung“, wie sie der renommierte Politikwissenschaftler der Universität Salzburg, Reinhard Heinisch, mit zwanzig Lebens- und Forschungsjahren in den Vereinigten Staaten Erfahrung dazu prädestiniert wie kaum ein anderer, in den Salzburger Nachrichten vor acht Tagen analysierte. Die Autokraten der Großmächte, die Trump mit heller Freude in ihre Runde aufnehmen, geben ihre Verpflichtungen aus der Nachkriegsordnung nach 1945 auf dieser Welt auf und zimmern sich ihre Reiche zurecht, in den Werten, die sie vertreten, in der Wirtschaft, in Fragen von Sicherheit und Kontrolle. Europa hat dabei sehr schlechte Karten, vielleicht dienen sich ein paar Vasallen an einzelnen Regierungsspitzen noch an (Ungarn beispielsweise – in Österreich wurde es abgewendet: Wann wird durch wen der 12. Februar zum Feiertag vom geplatzten Volkskanzlertraum erhoben?). Aber was haben die wirklich davon, wenn sie sich bei den drei großen Weltbeherrschern (Amerika, China, Russland) beliebt machen („einschleimen“, sagen wir in Österreich dazu) wollen? Denn die Netzwerke der Autokraten bestehen und sie brauchen die verhältnismäßig kleinen europäischen Staaten nicht. Die globalen Netzwerke funktionieren erschreckend exzellent, wie man in „Die Achse der Autokraten. Korruption, Kontrolle, Propaganda, Wie Diktatoren sich gegenseitig an der Macht halten“ von Anne Applebaum, mit dem Friedenspreis 2024 des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, nachlesen kann.
Musiker DJ Moby, aus New York einer Nachrichtensendung im ORF zugeschaltet, charakterisierte den amerikanischen Präsidenten einen Monat nach Amtsantritt als einen betrunkenen Taxifahrer auf dessen erste zwanzig Meter im Schlingerkurs und DJ Moby wunderte sich, warum der Fahrgast nicht aussteigt. Zu befürchten ist, dass der Fahrgast es immer noch so befindet, wie es sich für heute und zwei Tage noch gehört: lustig. Für den Ernst der Gesamtlage kann es nicht schnell genug weltweit Aschermittwoch werden.
Foto: Pexels/Free Photo Library – Suchergebnis mit „flood the zone with shit“ gleich Null, das gewählte Bild wirft Pexels bei Abfrage mit „nonsense“ aus
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