Klima

Erklären wir den Sommer für beendet!

Morgen beginnt östlich der Zeitzonengrenze der österreichischen Schulzeitrechnung, das ist der Fluss Enns, das neue Schuljahr. Abends stellt sich mit dem Bundeskanzler letztmalig einer dem politischen Sommergespräch im Fernsehen. Da stehen dann auch die Zeichen gut, dass der Österreichische Rundfunk (ORF) seine ebenso immer montags prominent ins Programm gerückten Kontaktanzeigen in Bewegtbildern bis zum nächsten Sommer wieder einstellt. Man hätte, als die originäre Gestalterin Elizabeth T. Spira verstarb, den Mut aufbringen müssen, die Sendung „Liebesgeschichten & Heiratssachen“ und damit ein Stück Fernsehgeschichte würdig abzuschließen. Früher kündigten auch letzte Folgen des Geldscheffel-Voyeurismus in der Sendung „Moneymaker“ das Ende eines Sommers an. Sie verschwand. Irgendwie bedauerlich: Sie war so ehrlich, darin wahrhaftig.

In den vergangenen Spätsommertagen erwachte zögerlich Kommunikation zur Coronaprävention. Es gibt nun doch schon die Empfehlung für einen vierten Stich für alle. Im Sommer blendeten wir uns mit niedrigen Zahlen, selbst produziert, denn wir testen de facto nicht mehr. Der Gesundheitsminister schaffte die seit Jahrhunderten effektive Maßnahme gegen Pandemie, die Quarantäne für Infizierte und also Infizierende ab: Es ist ja nichts. Außer Vogel-Strauß-Politik. Simulations- und Komplexitätsforscher meldeten Mitte August an, dass verlässliches Datenmaterial für profunde Prognosen fehlt. Wir wissen nichts mehr. Wir schauen einfach nicht mehr hin. Das ist die neue Normalität nach politischem Willen und gegen den der Expertinnen und Experten.

„Wir tun so, als ob nichts wäre“, heißt ein Satz im schon ein paar Jährchen alten Programm „Gott & Söhne“ der österreichischen Kabarettisten Thomas Stipsits und Manuel Rubey. Nachgeschoben wird dieser Regel noch der Zusatz: „Eine österreichische Lösung“. Das ist sie. Und dazu eine Wahrheit.

Weitere Wahrheiten wären uns schon auch sehr willkommen, etwa die, ob die heimischen Gasspeicher (in denen auch für Italien und Slowenien gesammelt wird) zu einem notwendigen Füllstand von 80 Prozent gebracht werden können. 65 waren es mit Stichtag 28. August 2022. Mein Zahlengedächtnis spielt mir einen Streich. Achtzig, diese Zielzahl! Wir überschreiben sie nun in Sachen Gas. Vor einem Jahr stand sie für die Quote, die wir gegen Corona Geimpfte im Anteil an der Gesamtbevölkerung für eine sichere kalte Saison mit der Pandemie erreichen wollten. Bekanntlich schafften wir das nicht. Vorbestimmung für das neue Ziel? Außer der Ankündigung einer herbstlichen Informationskampagne fürs Energiesparen kam von der Bundesregierung nicht wirklich etwas, was mit Blick auf den in wenigen Wochen notwendigen Energiebedarf absichernd hätte wirken können oder wollen. Ein Wort schaffte es durch den Sommer und soll nun mit Wirklichkeit gefüllt werden: Strompreisbremse. Speed in der Preissteigerung ist reichlich gegeben. Ob eine simple Bremse da noch wirkt?

Was eigentlich wurde in Sachen Gassicherheit aus den Ergebnissen der Reise einer Regierungsdelegation knapp nach Kriegsbeginn in der Ukraine auf die arabische Halbinsel? Man unterzeichnete doch mit den Scheichs Papiere. Die OMV meldete im Sommer die Reservierung von Pipelinekapazität aus dem Norden, konkret Norwegen, wo sie selbst (teures) Gas gewinnt. Der Transportweg ist reserviert, auch die Ware, die ihn nehmen soll? Der Bundeskanzler gab ein Versprechen, kein Haushalt werde kalt bleiben. Er sagte nicht dazu, zu welchem Preis dies geschehen kann. Einige Vertreter der Industrie meldeten bei Gasknappheit natürlich Priorisierung gegenüber warmen Wohnungen an. Dazu passt, dass einer aus der Seilbahnwirtschaftlobby für den Fall von Stromknappheit gleich klarmachte: Seilbahnen sind „kritische Infrastruktur“. Sehr heiß war es im Sommer 2022.

Er bot Bilder von trockenen Flussbetten und brennenden Wäldern, Überschwemmungen und Zerstörung nach Unwettern, Quallenplagen in der Adria, ein Meer vor Mallorca mit 30 Grad Wassertemperatur, Kriegspropaganda, die eine Vielzahl von Medien immer noch mit Lust am Schrecken multipliziert. Ein paar hartnäckige Songs liefen in Dauerschleife, „As It Was“ von Harry Styles oder „Westcoast“ von OneRepublic – im Radio, in Geschäften, in Lokalen, am Strand, überall. Die finnische Ministerpräsidentin feierte Partys und legte einen negativen Drogentest vor.

Und natürlich gab es sommerliche Festspiele in Kultur und Sport (European Championships in München), prall mit Erfolg gefüllt für all jene, die diese aktiv gestalteten. In Bregenz forderte unser Bundespräsident bei der Eröffnung der Festspiele die Regierung dazu auf zu arbeiten: „Die Regierung muss jetzt – sorry! – arbeiten, arbeiten.“ Das war am 20. Juli 2022, vor sechseinhalb Wochen. Und ging ins Leere. „Formelle Sommerpause der Regierung“ hieß das. In anderen Staaten schwitzten die Führungsköpfe tagtäglich für notwendige Lösungen, nicht so in Österreich. Motto hier wohl: „Viele Probleme erledigen sich von selbst, wenn man sie nicht dabei stört“ (Kabarettist und Schauspieler Ernst Waldbrunn, 1907-1977).

Erklären wir also diesen Sommer für beendet. Aufgaben in bzw. vor einer schwierigen Zeit für eine ebensolche liegen genug und dringend an. An die Arbeit! Jetzt wirklich!

Foto: Noch einmal Farbenspiel im Wasserspiegel – Bohinjsko jezero (Wocheiner See)/Slowenien im August 2022

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