Das trifft mich an diesem Montagvormittag. In meinem Büro ist auf meinem Bildschirm orf.at stets offen. Das kommt daher, dass in Pandemie-Belangen wichtige Botschaften fürs Schulsystem zuallererst hier erscheinen. Intern nennen wir das Portal darum schelmisch gern „Dienstpost“.
Am heutigen Vormittag auf orf.at dann diese Meldung: Erhard Busek ist gestorben.
Am Ende seiner politischen Laufbahn war er wenige Monate auch Unterrichtsminister. 1995 schied er aus, verließ die Politik, also die politischen Ämter. Ein politischer Mensch blieb Erhard Busek weiterhin, ein wichtiger zumal in seinem Engagement für den mittel- und osteuropäischen Raum.
Ein Jahr später, sozusagen nach einer Art von „cooling down“-Phase, trafen wir, Elisabeth Vera Rathenböck und ich, ihn in Wien zum Interview. Wir sprachen ihn nicht als Politiker, schon gar nicht als einen der Österreichischen Volkspartei. Wir suchten den Kontakt zu ihm als Intellektuellen. Ort unseres Treffens: das Café des Wiener Museums für Angewandte Kunst (MAK). Unser Anliegen als freischaffende Journalisten, die wir damals beide waren: Wir wollten mit einem profunden Kenner der politischen Veränderungen in Mittel- und Osteuropa ins Gespräch kommen. Wir selbst hatten unseren Zugang zur europäischen Neuordnung über zu diesem Zeitpunkt zwei sehr intensive Erkundungsreisen durch Slowenien entdeckt. Erhard Busek war 1996 bereits Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa. Wir trafen einen Mann, der sich nach seinem Ausstieg aus dem täglichen Stress von Parteipolitik und Regierungsverantwortung auch äußerlich stark verändert hatte. Sein Haar war weiß geworden, nun trug er Vollbart. In seinen Augen blitzten reiche Kenntnis, Feuer für die neue Herzensaufgabe und eine Offenheit für uns zwei, die wir rund um unsere 30. Geburtstage die Veränderung der nahen Welt in Europa journalistisch ergründen wollten. Wir hatten keinen Auftrag auch irgendeines Mediums in der Tasche für das Gespräch, legten das auch zur Vereinbarung des Termins offen. Wir wollten sehen, wohin uns das gemeinsame Sprechen, sehr wohl zwischen zwei Generationen, übers integrierende Anliegen für Mittel- und Osteuropa hintreiben würde. Erhard Busek ließ sich darauf ein. Wir sprachen lang.
In Erinnerung blieben markante Sätze von Erhard Busek, wie aus der einjährigen Distanz zu den politischen Ämtern der, dass in der Tagespolitik „alles in Wahrheit so banal“ sei. Damals, an irgendeinem Apriltag des Jahres 1996, saß er mit uns im dominant weißen Ambiente des Cafés im MAK und aus meinem Gedächtnis erhebt sich heute der Satz, mit dem er uns schon damals die geographische Nähe veranschaulichte. „Uzhgorod (in der Ukraine; Anm.) ist von Wien nicht weiter entfernt als Bregenz“, sagte er. Ein Vergleich, den man in leichten Variationen in den vergangenen knapp drei Wochen regelmäßig hört.
Wir transkribierten unser langes Interview gewissenhaft, redigierten es, legten es Erhard Busek zur Freigabe vor, die er sehr prompt erteilt hatte. Dann boten wir es bei verschiedenen österreichischen Medien zum Abdruck an. Und fanden zu dieser Zeit nirgendwo damit Anklang, wohl auch deswegen, weil die österreichische Medienszene Erhard Busek noch immer zu sehr mit seiner Fraktion und seinem Abschied von der parteipolitischen Arbeit verbunden gesehen hatte. Wie immer es dann im Detail zugegangen war, kann ich heute nicht mehr rekonstruieren: Unser Interview mit Erhard Busek erschien im Herbst 1997 in slowenischer Übersetzung in einer Ausgabe der namhaften Zeitschrift „Nova revija“ mit Sitz in Ljubljana.
Foto: Ljubljana, by Wikimedia Commons/yeowhatzup Creative Commons Attribution 2.0 Generic
Kategorien:Politik
Schöne Reminiszenzen. Busek hat für die Ostöffnung Österreichs aber auch für die Friedenssicherung in Südosteuropa (Stichwort „Stabilitätspakt“) sehr viel getan. Das sage ich als jemand, der mit seinem konservativen „Mitteleuropa“ – Konzept politisch gar nicht einverstanden war.
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