Insbesondere bleiben der Klopfgeräusche zum Trotz die Türen der Theater verschlossen. Lange haben die Theaterhäuser zugewartet, kein Wunder, die Politik versteht es weiterhin meisterlich, sie hinzuhalten. Hinter den fürs Publikum geschlossenen Türen läuft aber ein genauso corona-gesicherter Betrieb für alles Personal, wie dies im Herbst 2020 nur zwei Monate dieser Saison auch dem Publikum einen gesundheitlich sicheren Theaterbesuch möglich gemacht hat. Es wird geprobt, produziert, nur eben nicht vor Ort aufgeführt. Nun aber zeigen sich erste Formate, in denen sich die darstellende Kunst in ihren schwierigen Pandemie-Rahmenbedingungen fordern lässt. Filmische Versiertheit ist selten ein Fehler dabei.
Als ausgehungerter Theaterbesucher lernte ich an mir, in größeren Dimensionen zu denken. Denn nicht nur die Theaterhäuser meines näheren regionalen Einzugsgebiets stehen mir virtuell offen. Mittels Datenleitung ist der Vorstellungsbesuch anderswo, geographische Distanzen und Reise-Einschränkungen vollkommen irrelevant, leicht möglich. Ich fand im Internet eine empfehlenswerte Übersicht und liebäugelte zuerst mit einer Produktion des Theaters Oberhausen in Deutschland, einem Projekt von Bert Zander mit dem Titel „Innen.Nacht. Geschichten aus der Höhle“, entschloss mich dann allerdings doch für den virtuellen Besuch des Theaters Krefeld-Mönchengladbach und da für die Produktion „The Plague“. In diesem Pasticcio, das sich an Motiven aus Daniel Defoes „A Journal of the Plague Year“ orientiert, verbinden sich 26 Arien, Duette, Ensembles von Henry Purcell, ergänzt um je ein Musikstück von Thomas Ravenscroft und von Pelham Humfrey, zu einem ganz besonderen Musiktheaterfilm.
Kobie van Rensburg, südafrikanischer Opernsänger mit Vorliebe fürs Barock und mit virtuellen Realitäten experimentierfreudiger Opernregisseur, setzte die „Pastete“ aus vielen, bewusst einzeln produzierten Arbeitsschritten zusammen. So sang das Ensemble die Musik zuerst auf Band ein und agierte in den Spielszenen mit Playback, konnte sich darin also mehr auf die gestische und mimische Expression einlassen. Der Regisseur forderte in den jeweiligen Solo-Aufnahmen (Corona-Sicherheitsmaßnahme während der Produktion!) wenig Zurückhaltung. Mit reichlich kleinteiligen Bausteinen zog er sich ins Studio zurück, montierte die Sängerinnen und Sänger zueinander, setzte sie in die virtuelle Realität von Innen- und Außenräumen, ließ Ratten aus dem Computer ihre Nasen an angebissene Äpfel oder in Handflächen Pestkranker stecken. Das hypertrophe Spiel, verfremdet in einem nahezu ausschließlich in Schwarz-Weiß gehaltenen Szenario, macht die Geschichte in zwölf Stationen, durch sanfte Moderation des Englisch sprechenden Regisseurs verbunden, zu einem monumentalen Barock-Musik-Video, knapp siebzig Minuten lang, nicht ohne charmant gesetzten schwarzen Humor.
Ein Vergnügen für alle, die für Musik von Purcell schwärmen! Der Stream ist auf Vimeo bis 4. Juli 2021 gegen geringes Entgelt verfügbar.
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