Gesundheit

Das Virus fährt nicht Schi

Sagen wir einmal so: Die Debatte entbehrt einer gewissen wahren Dringlichkeit. „Surreal“ nannte sie der italienische Außenminister. Ich stimme zu. Und doch läuft die Debatte. Ausgelöst wurde sie vom wirklich klugen Vorschlag aus Italien, den Start der Schisaison auf Anfang Jänner zu verschieben, und zwar europaweit, also dort, wo man in Europa auf Schitourismus setzt.

Österreich ist dagegen, sträubt sich, windet sich. Will im Fall, dass es dazu kommt, Kompensationszahlungen von der Europäischen Union. Ganz ehrlich, ich schäme mich als Staatsbürger und leidenschaftlicher Schifahrer für diesen Affentanz. Denn, bitte, was in Ischgl im Frühjahr geschah, wie dies von der Tiroler Landespolitik als „richtiges“ Krisenmanagement schöngeredet worden ist, bis hin zu jenem vor wenigen Wochen sehr berühmt gewordenen Handyvideo von einer alles anderen als coronakonformen Anstellkultur bei einer Liftanlage zum Hintertuxer Gletscher, das alles bereitet nicht unbedingt einen Boden, auf dem man Standfestigkeit hat und Forderungen stellen kann und soll. Ich weiß schon, am Schitourismus hängt in diesem Land eine enorme Wirtschaft. Doch lobe ich mir Einsicht, wie nur an einem Beispiel vernehmbar, ein Schihüttenwirt meinte am vergangenen Freitag im Radio dazu, er lasse sich auf eine Sperre ein, wenn dies klar und rasch entschieden wird, sodass er Vorsorge für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffen könne und nicht sinnlos Geld in Wareneinsatz investiere, der nicht weiter verwertet werden kann.

Natürlich fährt das Virus nicht Schi, aber es freut sich über auf Millimeter geschrumpfte Babyelefanten bei den Liften, Präventionskonzepte der Betreiber hin oder her. Wir haben zum Zeitpunkt von etwas mehr als neun Monaten seit Beginn der Pandemie ja ohnedies gelernt, dass mit viel Geld umgesetzte Präventionskonzepte nichts nützen, andernfalls müssten Konzertsäle, Theater, Kino, Museen geöffnet sein, Sportstätten ebenso – denn das Virus schwimmt beispielsweise auch nicht (zuletzt wurde dies sogar von der WHO bestätigt), es spielt nicht Badminton, es sitzt auch nicht an Hanteln, es läuft nicht auf Laufbändern. Hier ließe sich beliebig erweitern, was Menschen seit mehr als einem Monat aus ihrem für ihre Gesundheit bewusst geführten Leben genommen worden ist, nämlich der Ausgleich zum beruflichen Alltag in körperlicher Betätigung, für die Sportstätten notwendig sind.

Hier nun vorzuschieben, mit dem Schifahren wäre gerade dieser Aspekt gewonnen, ist verlogen. Ob die Spitäler mit Unfallgeschehen aus dem Schisport in den Dezemberwochen und rund um den Jahreswechsel Freude haben und vor allem Kapazität, diese zu behandeln, sei dahingestellt. Die große Regierungspartei läuft dem Wirtschaftsfaktor nach, vielleicht hört sie auch auf einige dominante Einflüsterer aus dieser Szene. Vernunft sollte nicht in Umsatz gemessen werden. Der italienische Vorschlag in Konsolidierung durch all jene EU-Mitgliedsstaaten, die Anteil an Alpen und darum Schisport haben, ist perfekt und muss angenommen und umgesetzt werden. Österreich tut gut daran, hier als Musterschüler mitzumachen. Reden wir übers Schifahren ab Mitte Jänner! Die Tourismusbetriebe kommen mit in den Kreis jener, die staatliche Hilfe beziehen. Auf die dafür notwendigen Milliarden wird´s jetzt wohl auch nicht mehr ankommen. Auf eine gedämpfte gehaltene Kurve von Infektionen allerdings schon.

2 replies »

  1. Lieber Peter, gehe völlig d’accord mit dir. Dieser Eiertanz ums Aufsperren, dem Drängen der Wirtschaft, im besonderen des „Gott sei bei uns“ des österreichischen Schisports, Peter Schröcksnadel, und den Empfehlungen der Experten und den dringenden Bitten der Ärzte und des Pflegepersonals ist schon nahezu eine Kabarettnummer. Ich bewundere das hartnäckige Drängen der Italiener für eine EU-weite Lösung. Ich frage mich nur, warum ist die Schweiz hier völlig aus der Diskussion ausgeklammert? Sogar Söder hat sie nie erwähnt. Naja, wahrscheinlich verlässt das Virus die Schweizer Grenzen nicht. Bin gespannt, ob wir dann im Februar den dritten Lockdown einläuten. Liebe Grüße Manfred

    Vom iPhone gesendet Mag.Manfred Derflinger m.derflinger@eduhi.at

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