Ich sah am vergangenen Freitag wiederum „Macbeth“, dieses famose choreographische Theater von Johann Kresnik, mit der Klaviermusik von Kurt Schwertsik und in der Ausstattung von Gottfried Helnwein, gut drei Monate nach meinem Besuch der Premiere Mitte Oktober 2018 nun also ein zweites Mal.
Am Landestheater Linz (Oberösterreich) machte man sich in einer Recherchearbeit über ein Jahr lang die Mühe, diese 1988 am Theater in Heidelberg erarbeitete Produktion zu rekonstruieren, weil man erkannte, dass ihre ästhetischen Mittel damals wie heute bestens taugen, ein politisches Statement zu setzen. Pointiert verkürzt lautet dieses: Wer auf dem blutigen Weg der Gewalt an die Macht kommt, hüpft zuletzt mit goldener Narrenkappe in viel zu großen Stiefeln herum. Am Ende „pflückt“ Macduff Macbeth von einer dieser Baumattrappen, die wie ein Wald von Raketen (der Wald von Birnam, der den heranrückenden Truppen Schutz gibt) erscheinen. Der stimulierte Kampf, der dem Emporkömmling ein Ende bereitet, besteht ausschließlich darin, dass Macduff Macbeth in eine Badewanne bettet, so wie man den CDU-Politiker Uwe Barschel im Oktober 1987 tot im Hotel Beau-Rivage in Genf vorgefunden hatte. Dieses zeithistorische Ereignis der bundesdeutschen Politikgeschichte war zur Uraufführung 1988 natürlich präsent, selbst dreißig Jahre später behält das Bild in der doppelten Bedeutung von Königsmörder seine kräftige Semantik.
Mein zweiter Blick auf diese „Macbeth“-Erzählung offenbarte mir viel stärker die Achtsamkeit des Choreographen Kresnik auf die feinen Nuancen von Körperspannung und auf den Umgang mit einem Bewegungsrepertoire, das sich als Quelle verschiedenste (Kinder-)Spielformen wählt. Mein zweites Hinhören auf Kurt Schwertsiks Musik brachte mir intensiver die rhythmisch-melodischen Leitmotive zur Geltung. Mein zweites Hinschauen auf Kostüme und Requisiten zeigte mir viel mehr die Gequältheit der Menschen, ihr Vermummt-Sein und ihre Verblendungen (Essbesteck in den verhüllten Gesichtern, eine typische Helnwein-Ikonographie). Mein zweites Erleben der Kinderzimmerszene, in der Arztschergen Lady Macduff und ihre Kinder morden, hob mir diese zur radikalsten szenischen Interpretation des Funktionierens totalitärer Systeme und ihrer Tötungsmaschinerie: drastischer kann man es auf einer Bühne nicht zeigen.
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