Soziales Handeln

Das Spanische-Gurken-Syndrom

Wieder ergeht es einem Produkt wie vor Jahren den spanischen Gurken (im Bild eine „Symbolgurke“, laut Verpackung stammt sie aus Österreich)

Eine kleine unscheinbare E-mail traf vor einigen Tagen bei mir ein. Ich hätte dieses Produkt gekauft, es folgte die Bezeichnung. Nun habe man festgestellt, dass dieses bei Anwendern Reizungen und in Folge möglicherweise eine Allergie auslösen könne. Darum sei nun geboten, es nicht mehr zum Einsatz zu bringen. Und: Falls man dieses Produkt zwar gekauft, dann aber verschenkt habe, sei man herzlich ersucht, den Beschenkten zumindest zu informieren. Noch besser aber wäre es, das Geschenk zurückzufordern.

Im konkreten Fall geht es um eine Lösung, die in Schwimmbrillen fachgerecht angebracht, verhindert, dass diese beschlagen. Nicht nur praktisch, sondern für Schwimmen auf Ausdauer oder im Wettkampf unerlässlich. Dem Produkt war eine (ja, okay! sehr klein gedruckte) Gebrauchsanweisung beigegeben, derzufolge die Lösung mit dem vorgegebenen Applikator vor oder nach dem Schwimmen auf der Innenseite der Gläser aufzutragen ist, dort zwei Minuten einwirken soll, bevor man mit klarem Wasser ausspült und die Brille an der Luft trocknen lässt. Warnhinweise, dass die Lösung fern von Kindern aufbewahrt werden muss und wie vorzugehen ist, sollte man davon etwas in die Augen bekommen bzw. dass die Dämpfe nicht eingeatmet werden sollen, finden sich selbstverständlich auf dem Stift selbst wie auch auf der Produktverpackung.

Also, dann: Worin besteht das Problem?

Es mag gut sein, dass jemand auf das Produkt trotz fachgerechter Anwendung gesundheitlich reagiert. Ich halte das für bedauerlich und zugleich für eine individuelle Indikation, in deren Folge ich in einem Zeitalter der Individualisierung schwer akzeptieren kann, dass eine daraus abgeleitete Regel für alle und jeden gelten kann oder sogar muss. Ich verstehe, dass sich der Hersteller vor Schadenersatzforderungen schützen will. Doch haben wir keine Gewissheit, ob nicht eine Anwendungsfreiheit (man könnte auch sagen: Beratungsresistenz, wer liest Gebrauchsanweisungen?) Ursache dessen ist, was dann ausgelöst hat, dass der Internethändler alle Kunden, die dieses Produkt gekauft haben, informieren muss. Diese Handlungsweisen, seit Jahr und Tag bekannt, entmündigen uns. So wie vor einigen Sommern Gurken aus Spanien zu „bösen“ Angreifern auf unsere Gesundheit stigmatisiert worden sind, weil Konsumenten nach ihrem Verzehr mit Verdauungsproblemen zu kämpfen hatten: Wissen wir tatsächlich nicht mehr, dass Gemüse vor Genuss gründlich gewaschen werden muss?

Insofern verwende ich meinen Fogbuster weiterhin, gemäß Anleitung. Das alte Hausrezept mit In-die-Brille-Reinspucken und Mit-dem-Finger-Sauberwischen ist übrigens ein Blödsinn, man zerkratzt sich dabei nur die Gläser!

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