Film

Fernsehnostalgie – Rendezvous mit Mrs. Robinson

CIMG0481Der irrste Schnitt in Mike Nichols‘ „Die Reifeprüfung“ ist jener aus der Traumwelt Benjamins, wenn er auf Mrs. Robinson (Anne Bancroft) liegt, zur Luftmatratze, auf der sich der College-Absolvent auf dem elterlichen Swimming-Pool treiben lässt.

Der Film (20. Februar 2016 auf BR) zählt satte 49 Jahre seit seiner Veröffentlichung und trägt den Skandalgeruch: 1967 empörte, dass ein verklemmtes Söhnchen aus wohlbestalltem Haus intim mit einer verheirateten Frau aus dem Freundeskreis seiner Eltern verkehrt, bevor er sich trotz deren Verbot in ihre Tochter verliebt. Dustin Hoffman schreitet mit fast unmerklichen Minimalhüpfern ein Sittenbild Amerikas der sechziger Jahre durch die erste Hälfte des Films. Ja, heutzutage erscheint der Streifen zweigeteilt: Teil eins atmet immer noch dieses Tennessee-Williams-Flair, auch in den Einstellungen, diesen überdeutlichen Akzentuierungen von Vorder- und Hintergrund als Spiegelung der emotionalen Stärke bzw. Verfasstheit der Figuren. Wie lange geht Ben zum Zimmer 568 im Hotel The Taft, indem er sich mit Mrs. Robinson treffen möchte? Die Tempi, die Nichols hier konstruiert, machen es aus. Teil zwei verliert sich in einer überdimensionierten Verfolgungsjagd nach seiner nun wahren Liebe, nämlich Elaine (Katharine Ross), und das Ende, wenn die beiden aus der Kirche fliehen, indem sie die Hochzeitsgesellschaft in diese einsperren und ein Kreuz (?) als Riegel verwenden, kippt unfreiwillig ins Komische. Auch die Fahrt im Bus ins Ungewisse mit den neutralen Gesichtern der Protagonisten nimmt sich nur noch seltsam aus.

Bleiben also: die sensationelle Szene in einem Take, wenn Benjamin zu Beginn bei der Party seiner Eltern wie eine Billardkugel durch die Gratulanten geschubst wird, und Paul Simons Songs, die untrennbar mit „The Graduate“ (so der Originaltitel) verbunden sind und bleiben: The Sounds of Silence, April Come She Will, Scarborough Fair und Mrs. Robinson.

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