Eine kleine Zeitungsmeldung lässt offen, ob es sich um ein geniales künstlerisches Statement oder einen simplen Marktvorgang handelt: „Der indischstämmige Künstler Anish Kapoor hat sich mit dem Aufkauf des schwärzesten Schwarz den Unmut anderer Künstler zugezogen. Kapoor hatte sich die exklusiven Rechte an der Farbe Vantablack gesichert. Die Farbe absorbiert 99,96 Prozent des Lichts. „Kann ein Künstler wirklich eine Farbe besitzen?“, fragte The Guardian skeptisch. Aber wenn, dann sei Kapoor „der ideale Künstler, um mit diesem freakigen Schwarz zu experimentieren.““ (Salzburger Nachrichten, 5.3.2016, S. 8). Als Kunst betrachtet erschiene dieser Vorgang als wirtschaftskritische und darin geniale Spiegelung von aktuellen Attitüden der sogenannten freien Marktwirtschaft. Eine andere Quelle spricht allerdings davon, die Herstellerfirma wäre von sich aus auf Kapoor zugegangen und habe für den Anwendungsbereich von Vantablack in der Kunst Exklusivität gesucht und darum mit dem Künstler einen Vertrag abgeschlossen. Wenn es (tatsächlich) nur um Marktinteressen geht, hat der Vorgang etwas enttäuschend Banales an sich, denn dann bestätigt er nur einmal mehr die absurden Entwicklungen unseres kapitalistischen Gefüges.
Wir leben in einem Markt, der gesättigt ist. Der hungrige Kapitalismus sucht stets neue Nahrung. Die Inbesitznahme von bestimmten Waren erscheint als Rettungsanker für gesicherte Geschäfte und Bereicherung. Dann sichert man sich halt an Produkten oder Begriffen ein Verwertungsrecht. Mich erinnert das an das Bemühen eines bayerischen Unternehmens, die Grußformel „Griaß di“ als Wortmarke zu schützen. Dies wurde abgelehnt, da die Formulierung derart weit verbreitet im bayerisch-österreichischen Raum Anwendung findet, sodass einer Wahrung der Wortmarke kaum entsprochen hätte werden können. Zudem sind Alltagsschätze unseres Lebens vom Belegen mit Markenrecht und damit verbunden natürlich Verwertungsinteressen ausgeschlossen. Kapoor gehört nun also ein bestimmtes Schwarz: Welcher Künstler sichert sich nun caput mortuum (d.i. ein bestimmter Rotfarbton)?
Schon 1905, also vor mehr als 110 Jahren, hatte Max Weber für diese Phänomene den Begriff vom „Abenteuerkapitalismus, der an politischer Chance und irrationaler Spekulation orientiert ist“. Kapitalismus lasse sich nur durch Kapitalismus kontrollieren, darin sind sich Fachleute einig. Er gehorcht dem Credo einer simplen Drei-Worte-Formel, Oliver Stone hat sie in „Wall Street 2“ Gordon Gekko, Hollywoods berühmtesten Investmentbanker (gespielt von Michael Douglas), in den Mund gelegt: „greed is good“. Also, an seiner Selbstkontrolle muss der Kapitalismus noch kräftig arbeiten!
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Liebe Grüße,
Ehemalskollege Otmar
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