… misst diese Intervention die Temperatur einer Gesellschaft. Konkret die in Deutschland, in Österreich wäre es wohl kaum anders. Siebzig Jahre nach Kriegsende drückt es Adolf Hitler in Berlin aus dem Boden heraus. Er läuft einem freien Mitarbeiter des Privatfernsehsenders „MyTV“ ins Bild. Für diesen, Fabian Sawatzki, eben vor die Tür gesetzt, kommt der Knüller zur rechten Zeit. Er tourt mit Hitler durch Deutschland, als Hitlerdarsteller (v)erkannt wird das zum überbordenden Medienereignis. Die Unterhaltungsindustrie erscheint als Propagandamaschinerie von heute.
Der freien Verfilmung von Timur Vermes‘ Roman „Er ist wieder da“ durch David Wnendt gelingt ein prägnantes aktuelles politisches Statement. Im Herbst 2014 drehte das Team im Stil einer „Mockumentary“ Begegnungen des Führers mit Menschen auf der Straße, in Wirtshäusern, Alltagssituationen. Oliver Masucci verleiht seinem Hitler Menschlichkeit, darin fischt er nach Vertrauen, um diese Beziehungswärme dann schroff abzukühlen und den kalten Tyrannen in die Szene zu stellen. So fragte Masucci nach gegenwärtigen Problemen und kommentierte die Antworten, die er erhielt, in den Denkmustern und Lösungsideen des Nationalsozialismus. Die Mienen der Leute veränderten sich, wurden gelöst, freundlich, sie lächelten, selten nur verlegen wie etwa die Hundezüchterin, oft gelöst und beseelt, gezeichnet von Hoffnung auf eine Veränderung. Deutschland (Österreich) in den Jahren 2014, 2015 …
Die Filmversion von „Er ist wieder da“ nutzt das Medium selbst vorzüglich, wenn Sawatzki zum Regisseur seiner eigenen Geschichte wird, wenn Hitlers zweites Buch, eben „Er ist wieder da“, verfilmt wird. Die Überhitzung des Hitler-Hypes findet auf den Dächern über dem Alexanderplatz zu einer Art Showdown. Was der Journalist tun muss, treibt ihm den Schweiß auf die Stirn. Die Befreiung vom „Monster“ misslingt, entsteht es ja durch uns und in uns selbst. „Ich bin ein Teil von euch“, sagt Hitler im Film im Film darum. Als Star fährt er zum Schluss mit der Produzentin im Cabrio durch die Straßen Berlins. Freundlich reagieren die Menschen am Straßenrand, nur einer zeigt ihm einen Daumen nach unten, ein weiterer den Stinkefinger. Sie sind Ausnahmeerscheinungen. Auf breiter Leinwand präsentiert uns Oliver Masucci seinen Hitlerkopf im Profil. Aus dem Off bilanziert seine Stimme zwei Stunden Kino (Wnendt erzählte im aspekte-Kulturmagazin auf ZDF, er hatte über 300 Stunden Material!), in denen ein sich anfangs vergnügendes Publikum im Saal immer leiser geworden ist: „Damit lässt sich arbeiten“. Ein sehr eindringlicher Film, der – Gott sei Dank! – niemals ambivalent wird!
Auch auf der Bühne beschäftigt man sich mit „Er ist wieder da“: Am Linzer Theater Phönix erlebt am 26. November 2015 eine Dramatisierung ihre österreichische Erstaufführung.