Die Notwendigkeit liegt in der politischen Großwetterlage, die auch Österreich nicht ausnimmt. Unsere Gesellschaft tendiert nach rechts und kennt die Grenze nicht, die sie dabei überschreitet, zum ganz äußeren Rand. Dieser ist in den vergangenen Jahren breiter geworden. Da wurde der Unmut von Leuten, die sich mit den notwendigen Regeln während der Pandemie nicht anfreunden konnten, weil sie diese nicht einhalten wollten, als freundliche Gelegenheit verstanden, genutzt und missbraucht, um Gedankengut zu untermischen. Es reichte dabei schon, dass einige namhafte Personen der Szene bei den Gruppen, die ihr in einer Demokratie zustehendes Grundrecht zu demonstrieren nutzten, auftauchten und mitmarschierten, Trittbrettfahren also, oder Okkupation. Den eigentlichen Veranstaltern war dies einerlei, sie erfreuten sich naiv des Zuspruchs im offenen Raum und sind nun natürlich mitverantwortlich für diese Art Salonfähigkeit, die Rechtsextremismus auch damit erreichen konnte.
Ich schreibe hier insbesondere von Steyr, der drittgrößten Stadt Oberösterreichs, einer historischen Perle, einer Stadt mit viel Geschichte, keiner unbelasteten in den dunklen Kapiteln des 20. Jahrhunderts. Diese unsere Stadt ist weiterhin (2024! Und angeblich bis Ende 2025) jeden Sonntag Schauplatz für sogenannte „Spaziergänge“, einer sehr eigenwilligen Gruppe, die sich einst gegen Corona-Maßnahmen versammelt hat und nun Dinge am Sonntagabend lautstark (Trommeln, Tröten, Dudelsäcke) durch die Stadtteile trägt, auf Transparenten und in Parolen, da wird am demokratischen Grundkonsens von Staat an sich und Österreich insbesondere gerüttelt. Das seltsame Brauchtum sollte ja mittlerweile eigentlich vom Tourismusverband vermarktet werden, im Sinn von Bildung und Aufklärung. Ja, so schaut(e) eine Veranstaltung aus, wie damals Menschen während der Pandemie ihren Protest auf die Straße trugen, wie sie sich einschlägig ideologisch missbrauchen ließen, wie seitdem diese postpandemische Wirkung präsent geblieben ist, als zusätzlicher Kristallisationspunkt von Staatsfeindlichkeit. Das ist die besondere Situation in Steyr, ihr bieten Sonntag für Sonntag zivilcouragierte Kräfte die Stirn.
Morgen Samstag um 14 Uhr laden mehr als 25 Organisationen, darunter auch die beiden christlichen Glaubensgemeinschaften, deren Pfarrer auch sprechen werden, auf dem Stadtplatz in Steyr zu einer Demonstration unter dem Titel „Demokratie verteidigen – gegen Rechtsextremismus“.
Durch die Zusammenkunft von so vielen Menschen wie möglich soll und wird sich zeigen, dass es nicht mehr damit getan ist, unsichtbar und still für Demokratie zu sein. Viele Städte in Deutschland haben dies in den ersten Monaten dieses Jahres bereits vorgemacht. Der Zustrom der Demonstrierenden dort war teilweise so stark, dass die Exekutive aus Sicherheitsgründen die Versammlungen vorzeitig beenden musste. Das hatte für mich immer so eine seltsame zweideutige Botschaft: Es erfüllte mich mit Freude über eine wirklich riesige Masse, die durch ihr Demonstrationsrecht die Demokratie als hohen und wichtigen Wert artikuliert. Es setzte mir zu, dass diesem Grundrecht Grenzen von Sicherheit gezogen werden, die dann plötzlich stärker wiegen als das An- und Auftreten gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus.
Foto: Blick von der Stadtpfarrkirche auf den Stadtplatz von Steyr (Oberösterreich)
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