Ein Datumssprung ein Jahr voraus: 12.12.2022. Das Land befindet sich im siebten Lockdown. Er begann mit dem ersten Adventsonntag, nachdem Lockdown Nummer 6 vor den Herbstferien zu einem Ende gebracht worden war. Der Tourismus setzte dies durch. Sein Jahresumsatz blieb bis dahin unbefriedigend, vor allem weil mit ihm nicht aufzuholen war, was dem Tourismus in den Pandemiejahren 2020 und 2021 entgangen war. Zu Schulbeginn startete Lockdown 6, das Schuljahr begann für jedes Kind und jede/n Jugendliche/n nur via Bildschirm am eigenen Smartphone, denn es galt für Schülerinnen und Schüler eine durchgehende Absonderung im Kinder- oder Jugendzimmer. Weiterhin vertrat die Politik die Ansicht, dass insbesondere diese Bevölkerungsgruppen die schlimmsten aller Spreader stellten.
Zuvor war bis zum Beginn der Sommerferien der vierte Lockdown immer wieder prolongiert worden. Anfangs lachten wir noch über das Bonmot des steirischen Dialektrappers Paul Pizzera: „Das Schlimmste an drei Wochen Lockdown sind die ersten vier Monate.“ Von Delta sprang die Lockdownbedürftigkeit mit kurzer Unterbrechung fürs Weihnachtsshopping und -fest 2021 zu Omikron über und zog durch die Wintersaison bis über Ostern ins Frühjahr hinein. Irgendwann war dann auch schon Sommer. Und immer noch Lockdown. Weil sich alle schon so daran gewöhnt hatten. Nach Ostern zählte man ihn als fünften. Die Zahl vier war schon etwas überstrapaziert.
Schifahren blieb im Winter übrigens immer erlaubt, auch ein dazu notwendiges Nächtigen in Unterkünften. Landeshauptleute setzten hier ihre eigenen Regeln durch. Im Untergrund, vor allem dem Tiroler, entstand eine eigene Geheimbundszene, weniger Illuminate des Après-Skiing, mehr eine Illuminierten-Szene. Das Virus fand dies großartig und bekam Kraft für eine weitere Mutation, die die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit dem griechischen Buchstaben für „t“ bezeichnete, gesprochen: tau. Einen Tau würden die Tiroler in Sachen ernsthafter Bekämpfung der gesundheitlichen Bedrohung durch das Coronavirus niemals haben können. Mit einer abschirmenden Ringimpfung rund um Tirol, also in Bayern, den Bundesländern Salzburg, Kärnten und Vorarlberg und natürlich auch Südtirol konnte die Tau-Variante lokal eingegrenzt werden.
Notwendig wurde Lockdown 7 in Folge der Ypsilon-Variante, sie breitete sich nach reger Reisetätigkeit in einem unbekümmerten Sommer 2022 aus, in dem die Politik zum dritten Mal drei Monate lang selbst Urlaub machte und dabei sich und ihrer Verantwortung in der gesundheitlichen Notlage für die Bevölkerung etwas hustete. Die Menschen taten und ließen, was ihnen lieb war. Sie feierten ausgelassen und in Menschenmassen, im Tanz schwitzend ihre Körper aneinanderreibend und mit einer Innigkeit Tröpfchen in Aerosolen austauschend. Hochämter für das Virus und ein Energie-Boost für die nächste Variante!
Dann, wenn es Armin Wolf in der Zeit im Bild 2 gelang, einem Politikermund dazu einen Satz mit wenig heißer Luft zu entringen, hieß es, man könne die Wählerinnen und Wähler eben nicht 365 Tage in einem Jahr unter restriktiven Druckmitteln und Freiheitsentzug halten, die Geimpften schon gar nicht mehr. Und auch die Ungeimpften hätten Rechte, zumal sie mittlerweile auch mit ihren regelmäßigen Verwaltungsstrafen nach einer nicht erfüllten Impfpflicht wertvolle Beiträge zur Finanzierung der lokalen Spitalsszenerie leisteten. Ein Musterprozess, angestrengt von einem impfrenitenten Rechtsanwalt, erbrachte ein zuletzt durch den Obersten Gerichtshof bestätigtes Urteil eines durch diese Sonderzahlungen erwirkten Anspruchs auf intensivmedizinische Betreuung, noch vor geimpften Patientinnen und Patienten. Triage funktionierte nunmehr auf Basis, wer mehr als der normal seine Steuern zahlende Bürger zum Gesundheitssystem beitrug. Vierfachgeimpfte, zuletzt im Frühjahr 2022 mit einem Super-Booster gegen Omikron geschützt, kamen in jedweder gesundheitlichen Indikation, die Spitalsaufenthalt nach sich zog, bestenfalls auf klapprigen Sonnenstühlen in Gängen von wieder frei geräumten Kuranstalten zu liegen.
Natürlich gibt es weiterhin einen harten Kern von Widerständlern, die sich immer mittwochs und an jedem Wochenende auf den Straßen aller Städte gegen die seit 1. Februar geltende Impfpflicht wenden, unter anderem in der Überzeugung, dass sich der Weltuntergang durch diese Politik bewahrheitet. Und zwar wegen des Mayakalenders. Schon für den 21.12.2012 sei das Ende von allem prophezeit worden, durch einen absichtlich herbeigeführten wissenschaftlichen Fehler, den niemand anderer als Bill Gates verantwortet. Ganz bewusst sei vor zehn Jahren 2012 als Weltuntergangsdatum verlautbart worden, eigentlich hieße es aber im Mayakalender 2022.
Der geltende Lockdown wurde zum schärfsten bisher durchgeführten. Selbst Dinge des täglichen Bedarfs dürfen nur mittels „click & collect“ geordert werden. Wenn ein hungriger Arbeitender zu Mittag Lust auf zwei Semmeln mit saftigem, warmen Leberkäse entwickelt, so muss er dies mittels Internet beim Fleischhauer seines Vertrauens vorbestellen. „Auch ein Gurkerl hinein?“, fragt ihn die Bedienung bei der Abholung leichtfertig. Er bejaht. „Dann gehen Sie mir bitte kurz vors Geschäft und bestellen Sie das mittels Internet nach, andernfalls darf ich es Ihnen nicht hineingeben!“ Der kalorienunterversorgte Bauarbeiter reiht sich in die eigens vor das Geschäft angelegte „last click-order“-Schlange ein, mit Abstand natürlich. Vor ihm steht die Mutter mit Kleinkind, das ein spontan von der Verkäuferin angebotenes Blatt Extrawurst nehmen darf, aber erst wenn Mama diesem per Klick draußen zugestimmt hat. Der Bankbedienstete hinter ihm hat vergessen, für das Mittagsmenü auf seinem Smartphone „mit Verpackung“ anzukreuzen. Der Nachtrag war wichtig, er hätte ansonsten die Speckknödel mit Kraut auf bloßen Händen in sein Büro tragen müssen.
Das Einzige, was im Lockdown Nr. 7 neben den ansonsten üblichen Einschränkungen getan werden darf, bleibt neben den Wegen zur und von der Arbeit, zur Grundversorgung, zur Hilfe für andere die Erholung im Freien zur eigenen physischen und psychischen Gesundheit. Letzteres wurde zweckorientiert umgewandelt: Täglich überstieg das Aufkommen an Paketen das Millionenmaß, nur noch bewältigbar, in dem jede und jeder seinen und ihren Bewegungshunger im Pakete-Schlichten und -Tragen stillt. Das Überreichen des Bestellten erhellt zudem Zustellaushilfen ihre eigenen lockdowngetrübten psychischen Verfasstheiten. Falls sie sich noch vorstellen können, wie wohl ein Lächeln unter einer FFP2-Maske aussieht …
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