Soziales Handeln

Das Geld liegt auf der Straße

Drei Aspekte treffen sich zurzeit wieder auf den Straßen unserer Innenstädte, vorzugsweise in den Fußgängerzonen: Sommer und Wärme lassen die Frequenz an Flanierenden steigen. Sozial- und Tierschutzeinrichtungen benötigen Geld, Schülerinnen und Schüler sowie Studierende einen Ferialjob. Jedes für sich geht absolut in Ordnung. Wenn die drei aufeinandertreffen, kann es schwierig werden.

Das Ganze beginnt damit, dass man sich harmlos und friedfertig auf seinem Weg befindet, bis einem plötzlich eine jugendliche Person direkt in den Raum der nächsten zwei Schritte springt. Nur reaktionsschnelles Stoppen verhindert den Zusammenstoß. Der junge Mensch, der mir meinen Weg abschneidet, trägt ein farbiges T-Shirt je nach Corporate Design der Einrichtung, für die er nun gleich sprechen will. Wenn es gut geht, hat er sogar ein Namensschild angesteckt, das ihn autorisiert für das, was nun folgt. Was leider nie gut geht: Der junge Mensch steht schon sehr lange in der Sonne. Das setzt auch seinem Erscheinungsbild zu, vor allem jenem, das man riechen kann. Der notwendige Flüssigkeitsausgleich am heißen Freiluftarbeitsplatz erfolgt zudem zumeist über stimulierende zuckerhaltige Getränke. Dementsprechend motiviert, man könnte auch sagen – überdreht kommt es nun zum Beginn der erzwungenen Gesprächsanbahnung. Der junge Mensch wählt eine Formulierung, als ob wir einander schon sehr lange und sehr gut kennen (was nicht der Fall ist) und trotz eines Altersunterschieds zwischen mir und ihm von mindestens einer Generation: „Hallo! Hast DU kurz Zeit für mich?“

Wenn ich wirklich in Eile bin, verneine ich, mache mir durch seitliches Ausscheren meinen Weg wieder frei und setze diesen fort.

Wenn es mich kitzelt, das Sendungsbewusstsein des Erziehens, das zu meinem Berufsbild Lehrer gehört, nun auch auf der Straße zu leben, antworte ich mit der Gegenfrage: „Kennen wir uns?“. Das macht mein Gegenüber perplex. Die dadurch entstehende Pause muss ich nutzen, um zu erklären, dass ich es für das Anliegen, das da im Gespräch vorgebracht werden soll, absolut abträglich finde, geduzt zu werden. Wir kennen einander nicht. Es ist unhöflich, denn immerhin wolle man ja etwas von mir, Geld, und da wären sprachlich Respekt und Höflichkeit schon Grundvoraussetzungen. Die sind aber nun nicht mehr gegeben.

Frauen entschuldigen sich dann zumeist und lassen eine Fortsetzung des Gesprächs bleiben. Männer japsen gern etwas von: „Ich komme vom Land, da sagen wir alle „du“ zueinander, ich kann gar nicht anders reden“. „Na, aber in der Schule sind Sie ja noch oder werden Sie gewesen sein. Da haben Sie in der Volksschule vielleicht zur Frau Lehrerin noch „du“ sagen dürfen, aber spätestens ab dem fünften ihrer neun Schulpflichtjahre war das dann vorbei.“ Zack, nächster Punkt für mich.

„Wie heißt denn gleich Ihre Organisation, für die Sie sammeln? Haben Sie eine Telefonnummer?“ Der Qualitätsmanager in mir bringt mich auf meine Stufe 3, ich spende nicht Geld, sondern Zeit für das Anliegen, Spendensammeln auf der Straße qualitativ zu verbessern. Ich nehme dann Kontakt mit jener Organisation auf, die hier ihre Leute im Einsatz hat, ihre Aufgaben und Anliegen für die Gesellschaft sind ja ehrenwert. Meine zentrale Botschaft dabei: Duzen geht gar nicht. Interessantes Phänomen: Verantwortliche der Organisationen stimmen dem stets zu. Warum wird´s also nicht besser? Gelernt habe ich in diesen Begegnungen in den vergangenen Jahren, dass oft Agenturen zwischengeschaltet sind, die diese Aktionen für die Vereine planen und durchführen. Das macht es nicht besser, eher umgekehrt.

Das Geld läge vielleicht auf der Straße. Oder richtiger: Es geht dort mit Menschen herum. Die Keilerei darum in dieser unhöflichen Art, bei der mich schon das Weg-Abschneiden als Freiheitsentzug vehement stört, schadet dem Ansehen jeder Organisation enorm.

Übrigens: Vor etwas mehr als einem Jahr fasste ein Sozialarbeiter eine Geldstrafe in Höhe von 150 Euro aus, weil er einen Polizisten duzte, Strafgrund: Verletzung des öffentlichen Anstands.

Foto: Pexels/Free Photo Library

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