Medien

Kontextfallen

Am morgigen Sonntag, knapp nach 17 Uhr, wird in erster Hochrechnung bekannt werden, wie die Kärntner Bevölkerung ihr Vertrauen für die nächsten fünf Jahre auf die wahlwerbenden Parteien verteilt hat. Einige Prognosen dazu blieben bis zuletzt höchst plausibel: die Sozialdemokratie verteidigt auf Grund des Landeshauptmannbonus Platz eins, gefolgt von den Freiheitlichen und der Volkspartei als Dritte. Was aber passiert mit den zuletzt (2013: 12,1 Prozent) noch starken Grünen? Einzug in den Landtag? Oder nicht?

Dazu gesellte sich am vergangenen Freitag ein Medienspektakel von extrem außergewöhnlicher Art. Die ehemalige Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, sie ist gebürtige Kärntnerin, wird nach einem knappen Jahr Auszeit von ihrem neuen Dienstgeber öffentlich vorgestellt. Dieser präsentiert sie als „Verantwortungsmanagerin“, also mit Zuständigkeit für Corporate Social Responsibility (CSR) und Nachhaltigkeit. Der Anlass ist ihr Dienstantritt zum ersten des Monats. Am Tag zwei also verblüfft die ehemalige Grüne die Öffentlichkeit mit ihrem beruflichen Engagement bei einem einst von ihr heftig kritisierten Konzern. Zugleich geschieht das am Tag zwei vor den Kärntner Landtagswahlen. Die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle brachte die Kontextierung im ORF (Zeit im Bild 2 vom 2.3.2018) auf den Punkt: ja, das könne Einfluss auf das Wahlergebnis der Grünen haben, deren Wählerschaft insbesondere nach „last swing“ entscheidet.

Der politikinteressierte Beobachter hat sich noch gar nicht vom Schock der ideologischen Wende einer Paradepolitikerin der Grünbewegung erholt, es schüttelt ihn noch angesichts der schrecklichen Inszenierung, wie der Vorstand seiner neuen Mitarbeiterin die Firmenzugehörigkeit per Pin ans Revers ihres Blazers heftet. Da schnappte wieder einmal zu, was ich „Kontextfalle“ nenne. Eine solche entsteht immer dann, wenn in einem bestimmten Umfeld (Ort, Zeit, Inhalt, kausale Bezüge) Handlungen gesetzt werden, deren Verstehen oder Interpretation von exakt diesen Faktoren in Ambivalenz gehalten bleibt. Mutmaßungen dominieren fortan verschiedene Räume von Öffentlichkeit. Auf Twitter meinte dazu etwa Franz Strohmeier: „Sowohl bei Glawischnig als auch bei Gusenbauer (ehemaliger österreichischer Bundeskanzler der SPÖ; Anm.) kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die postpolitische Erwerbstätigkeit vor allem auch eine Rache an der Partei ist, die einen geschasst hat.“ In den Salzburger Nachrichten (3.3.2018, S. 1) plädiert Andreas Koller zu Recht für ein neues Verständnis, das die Öffentlichkeit zu entwickeln hat, wenn es ums berufliche Engagement von Politfunktionären nach ihrer Amtszeit geht. Denkmöglich ist freilich auch, dass lukrative Angebote jegliche ideologisch gelenkte Reflexion ausschalten. Soll sein, Existenzsicherung ist eine schwierige Aufgabe. Auch kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich im Moment der Befestigung des Firmenpins am Blazer in der Miene der Akteurin auch ein wenig Unbehagen, wenn nicht sogar Naivität spiegelte.

Kontextfallen! Sie schnappen zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach zu. Sie schädigen die Erfolgsgeschichten, die eine Person über sich in der Öffentlichkeit geschrieben hat. Sie schaben das Manuskript ab und beschreiben es neu. Die eigene Geschichte wird also zum Palimpsest. Auch den Altlandeshauptmann von Niederösterreich muss man in diesem Zusammenhang nochmals in Erinnerung rufen. Er sagte im Frühjahr 2017 seinen Rücktritt just an, als der Rechnungshof entschieden hatte, seine in öffentliche Diskussion geratene Privatstiftung zu prüfen.

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