Politik

Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz

Der Kälte in dieser Weise trotzen darf man in Österreich ab morgen nur mehr mit Erlaubnis des Innenministers.

Dieses Wort zergeht einem nicht auf der Zunge. Es empfiehlt sich für die Kategorie „Unwort des Jahres“, die legistische Abkürzung „AGesVG“ inklusive. Nun also auch Österreich! Und wieder einmal geht es um pure Anlassgesetzgebung, die im Beipacktext ihrer Wirksamkeit (das Gesetz tritt morgen am 1. Oktober 2017 in Kraft) mit rhetorischem Balsam zu beschwichtigen versucht.

Natürlich hat dieses Gesetz eine Zielgruppe. Es geht um jene Frauen, die ihren muslimischen Glauben konservativ (streng) leben, die ihr Gesicht verhüllen. Wie viele es davon in Österreich gibt, die in Burka oder Nikab unterwegs sind und deren dadurch verhüllte Identität derart mit Gefahrenpotenzial aufgeladen eingeschätzt wird, sodass es eines Gesetzes bedarf, um das Gesicht zu enthüllen, weiß niemand. Bei Nichtbefolgen einer Aufforderung durch die Exekutive, das Gesicht frei zu machen, droht eine Verwaltungsstrafe bis zu 150 Euro. „Wenn man die Religionsfreiheit akzeptiert, muss man auch die Sichtbarkeit der Religion akzeptieren“, argumentiert der algerisch-französische Geschäftsmann Rachid Nekkaz, der wie schon in anderen Ländern mit Verhüllungsverbot (u.a. Frankreich, Belgien, Bulgarien, Schweiz) bereit ist, für Betroffene die Strafen zu bezahlen (Quelle: religion.orf.at, 29.9.2017).

Zur „Neutralisierung“ des eine Glaubensgemeinschaft diskriminierenden Gesetzes regelt dieses auch andere unliebsame Gesichtsverhüllungen, beispielsweise Clownmasken außerhalb der Faschingszeit, Gesetzgebung im Reiz-Reaktionsschema zum Phänomen der „Horrorclowns“. Es bestimmt darum auch Ausnahmen, zum Beispiel für den Mundschutz von Medizinern oder Handwerkern. Wer aus gesundheitlichen Gründen sein Gesicht zu verhüllen hat (Verbände, Augenbinden, Mundschutz), braucht ein medizinisches Attest in der Tasche, um nicht in Konflikt mit dem Gesetz zu kommen. Die Satiriker von dietagespresse.com machten sich bereits Sorgen um die Gesichter ungeschützter Imker. Freuen wir uns auf die Erfüllung des Informationsauftrags des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der uns jeden Morgen in der kalten Jahreszeit dann die Erlaubnis des Innenministers vermitteln wird, dass sich wegen eisiger Kälte die Bevölkerung mit Schal über Mund und Nase schützen darf.

Wir haben mit den höflichen Worten des österreichischen Kardinals Christoph Schönborn einen „zu starken Eingriff in zivile Freiheiten“, einen neuerlichen Angriff auf die Grundrechte und damit schlicht wieder einmal zu viel Staat im Privaten!

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