Raum & Architektur

Ossiacher See – eine Umrundung

Und zwar zu Fuß, im Uhrzeigersinn: ich starte in Bodensdorf und folge dabei dem Radrundweg R2. Schon nach einem knappen ersten Kilometer ruft mir ein Radfahrer in gepflegtem Kärntnerisch zu (Transkription in Hochdeutsch): „Wenn du dir ein Fahrrad gekauft hättest, müsstest du nicht gehen!“ Ich aber gehe gerne. Aus Sportsgeist? Immer. Zum Konditionsaufbau? Ja, zeitgleich gehe ich auch neue Wanderschuhe für eine Reise später in diesem Sommer ein. Das Gehen macht die Gedanken frei, Schritt für Schritt erschließt sich die Landschaft. Das ist auch Kino für den Kopf in einem Tempo, das zulässt, sich mit Details in der Beobachtung zu beschäftigen, eben „nosing around“.

Ein wenig beseelt bin ich dabei auch von einem Text von Stefanie Sargnagel, die als Stadtschreiberin in Klagenfurt nach freiem Badezugang zum Wörthersee suchte. Die Verhüttelung der Seeufer nimmt ja zu, und am Ende der Straße steht (nach Peter Fox) ein Haus am See, Orangenbaumblätter liegen auf dem Weg, ich habe zwanzig Kinder, meine Frau ist schön, alle komm’n vorbei, ich brauche nie rauszugeh’n. So eine ganz und gar finale Idylle halt.

Am Ostende des Ossiacher Sees steht Günther Domenigs Steinhaus, das opus magnum des 2012 verstorbenen Architekten, eine geometrische Verschachtelung aus Stahl, Glas und Beton, selbst Landschaft und zugleich auch Statement zum Zerfall von Architektur.

Günther Domenigs Steinhaus: eine Landschaft aus Stahl, Beton und Glas

Die „Ostkurve“ des Sees, das Bleistätter Moor, wurde für die Natur zurückerobert. Kaum verlässt man es, dominieren die Parzellen, die die Seezugänge privatisieren. Und auf Tafeln werden interessierten Investoren Eigenheime mit Anteil am Seeufer versprochen, etwa unter den klingenden Namen „Augenweide“ oder als „Seeruhe“ (das klingt ein wenig nach „letzter Ruhe“, womit sich der Kreis zum Song von Herrn Fox schließt). Den letzten Brachen am Südufer steht der Baubeginn bevor. Neben Altbestand entdeckt der Wanderer auch Gartenarchitektur und schluckt schwer angesichts einer Apartmentpyramide:

„s Hamatle“: Altbestand am Südufer

Macht der Heckenschere: Geheimnisvolle Tore

Ja, auch so kann Wohnen am See aussehen

Durch Einfamilienhaussiedlungen, schöne Architektur zweifelsfrei, etwa in einer Straße namens Slatinweg (auf den ersten Blick hüpften mir doch tatsächlich „l“ und „t“ durcheinander!), hinter Campingplätzen und Strandbädern umgeht man die „Westkurve“ des Sees und entdeckt dann doch in Annenheim eine Wiese von Größe eines besseren Wohnzimmers mit – ja, tatsächlich! – freiem Seezugang. Entlang der Bahn und einer riesigen Anzahl von Einfamilienhäuser, die wie eine Schutzschicht Blick und Zugang zum Wasser verhindern, gehe ich zurück nach Bodensdorf, wo man vom Park aus eine Art Kap vorfindet, von dem aus man ebenso ungehindert das kühle Nass des Sees nutzen kann.

Dass nahe zum Bahnhof ein kombiniertes Objekt mit Ferienwohnungen und einer Cafeteria gerade zum Kauf angeboten wird, ist Teil des Immobilienmarkts. Irgendwie verstört nur, dass der geschlossene Café-Restaurant-Betrieb auf den Namen „Lebenslust“ hörte. Als ob die hier jemandem vergangen wäre?

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