Michelle Fullers Morgenritual, insbesondere das Boxtraining, gibt ihr noch Kraft zum Widerstand. Zwei Angreifer, in Imkeranzügen, versuchen, sie zu überwältigen und zu entführen. Das gelingt schlussendlich. Fuller fällt im Kampf um, warum? Ein Entführer setzte ihr im Kampf eine Injektion in die rechte Hüfte.
In Giorgios Lantimos´ neuem Film „Bugonia“ ist das Humor mit Zynismus, dafür ist der Mann bekannt, seltsame Geschichten, die er erzählt, wendet er gerne, um uns zu irritieren, zu verstören, aufzuschrecken. In „Bugonia“ trifft er die Nadel auf den Kopf, denn Fuller ist Geschäftsführerin eines pharmazeutischen Unternehmens, mit einem Lebensentwurf nach Maßstab von big business, Villa, SUV, Zeittaktung durch den Tag und einer eigenen Crew allein für eine social-media-Botschaft zur Bedeutung von Diversität im Konzern.
Auf der anderen Seite lernen wir Teddy und Don kennen. Auch sie trainieren, mit Yoga, mit Gymnastik. Don findet das Herumgehopse im Landhaus lustig. Diese körperliche Ertüchtigung bietet die Grundlage für das mind-set dessen, was sie vorhaben, die Entführung. Ihre Lebensweisheit schöpfen beide aus dem Internet, sie saugen Verschwörungsmythen in sich auf und verwandeln all das dann in ihren Honig, in dem sie festkleben. Denn: Sie entführen Fuller im Glauben, sie sei eine Außerirdische, die mit ihrem Tun alles Ungemach über den Planeten gebracht hat, ja, auch über die Bienen, denn Teddy und Don sind Imker, Teddy arbeitet zudem in der Paketierstation des pharmazeutischen Unternehmens, dessen Kopf ihm nicht in seine Welt passt. Darum will er Fuller zurück ins All schicken.
Die Bienen, die dem Film auch mit zum Namen helfen, weil „Bugonia“ in der Antike den Glauben darstellt, dass sich Bienen aus verwesenden Körpern von Tieren, insbesondere Ochsen, entwickeln, sind durch Agrargifte bedroht und eine Weisheit ist, dass, wenn die Bienen aufhören, ihr für den Planeten so wichtiges Bestäubungswerk zu verrichten, der Menschheit fünf Jahre Überleben bleiben. Diese Endzeitstimmung steht in Lanthimos` Film aber nur entfernt über der Handlung. Viel schmerzvoller zieht das Publikum hinunter, wenn die entführte Fuller, körperlich drangsaliert, u.a. mit geschorenem Haar (ihre Entführer halten es für das Mittel zur Kommunikation zum Raumschiff ihrer Aliens), dick mit Antihistamincreme eingeschmiert, mit den beiden Amerikanern (Modernisierungsverlierern?) um ihre Freiheit, ihr Leben verhandelt, dann auch schon, indem sie in deren krude Wirklichkeitskonstruktionen einsteigt. Vieles davon tut beim Zuschauen und Zuhören richtig weh.
Der Plot dreht sich, wie und wohin, muss hier ausgespart bleiben. Der Film, besonders sehenswert auch in den Räumen (das Pharma-Unternehmen, das Landhaus, die Epilog-Szene), die da gebaut worden sind, hörenswert im Soundtrack (Jersky Fendrix) mit so manch verschmitzter Anspielung, wird auflösen. Emma Stone (Michelle Fuller) und Jesse Plemons (Teddy) werden seit Tagen des Anlaufens des Streifens in den heimischen Kinos als unbedingte Favoriten für Oscar-Ehren genannt. Ja, es ist immens stark, was sie spielen. Ob das Thema der Academy so gefällt, dass sie sich in ihrer Abstimmung zum Goldmännchen für die beiden durchringt? Wir erfahren es Mitte März 2026.
Foto: Pexels/Free Photo Library (Bienen, weil es passt, als Schmuckbild; mit der Verwendung von Szenenfotos aus Filmen ist das immer so eine Urheberrechtssache)
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