In der ungezügelt freien Artikulations- und Selbstdarstellungswelt von social media und Internet steht es schlecht um eine garantierte Wahrheit von Inhalten, von Meldungen, von Wirklichkeit. Da ist dann auch schnell einmal eine Literaturnobelpreisträgerin tot gemeldet (17. Juni 2025), obwohl sich Elfriede Jelinek des Lebens erfreut, auch in der Art ihrer Reaktion darauf: „Ach schon wieder?“
In der Welt der professionellen Medien, also der Medienproduktion durch Rundfunkunternehmen oder Zeitungen- und Zeitschriftenverlage gilt das Regulativ des Mediengesetzes. Das wiederum schreibt die Prüfung von Sachverhalten vor, eine journalistische Sorgfaltspflicht beispielsweise, was heißt, Check der Quellen, oder das Hören beider (oder mehrerer) und Berichten über beide (oder mehrere) Perspektiven zu einem Sachverhalt.
Heute erwächst aus dem ungebremsten, unreflektierten Zugang zum Kanal Internet, aus der Sekundeneile von Übermittelbarkeit Hast, auch Hass, die Verführung zur Einseitigkeit, zur Vorverurteilung, zur Hetze, zur Vernichtung des Rufs von beteiligten Personen.
Der norwegische Wirtschaftsphilosoph Anders Indset benannte das in seinem 2021 erschienenen Buch „Das infizierte Denken“ sehr kühl: So manche Inhalte digitaler Medien begründen ihre Relevanz nur durch einen Umstand, nämlich, die Macher dieser „Nachrichten“ gieren nach so vielen Klicks wie möglich. Diese wiederum werden gebraucht, damit die oben, unten, links, rechts oder vor solchen „Berichten“ inserierende Werbewirtschaft jene Frequenz an Aufmerksamkeit bekommt, die Werbung braucht. Internetjournalismus bedient also ausschließlich den Werbekunden und verfolgt nicht die Orientierung der Gesellschaft zum aktuellen Zeitgeschehen.
Im Wort Nachrichten steckt aber eben die Bedeutung, dass diese Informationen uns Anlass geben, dass wir uns danach richten. Orientieren, wissen, wie es um uns bestellt ist. Was hilft uns? Was bedroht uns (wirklich)? Wovor müssen wir uns schützen? Und wie?
Wenn aber diese Welt der Nachrichten ganz anderen Motivationen folgt, zum Beispiel ausschließlich werbewirtschaftlichen, dann stellt sich die Frage, was das mit uns und unserem Lebens- und Handlungsumfeld macht.
Es taucht uns in eine Illusion, Vielleicht kann diese eins, uns amüsieren.
Ich habe aus meinen Bücherregalen ein Buch hervorgekramt, der Titel ist in diesen Tagen 40 Jahre auf dem Markt. Das Buch war weltweit ein Bestseller. Und dem bereits erwähnten norwegischen Wirtschaftsphilosophen Anders Indset verdanke ich den Impuls, in diesem Buch nochmals zu lesen. Dabei amüsierten mich meine Markierungen und Anmerkungen mit Bleistift vor 40 Jahren und es erschreckte mich, wie deutlich die Diagnose Bestand hielt, von diesem Buch, geschrieben vom Amerikaner Neil Postman, mit dem Titel: „Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie“.
Natürlich ging es Herrn Postman dazumals um den Wechsel vom gedruckten Wort, also der Rede- und Buchkultur, zur Show des Fernsehens, vor allem auch zur Show der Politik im Fernsehen.
Und jetzt 40 Jahre später muss man eben nur alles um einen technologischen Schritt weiterschieben, nun ins Zeitalter von Internet und social media. Die Kraft von Postmans Analyse bleibt gültig, etwa wenn er sagt:
„Wenn ein Volk sich von Trivialitäten ablenken lässt, wenn das kulturelle Leben neu bestimmt wird als eine endlose Reihe von Unterhaltungsveranstaltungen, als gigantischer Amüsierbetrieb, wenn der öffentliche Diskurs zum unterschiedslosen Geplapper wird, kurz, wenn aus Bürgern Zuschauer werden und ihre öffentlichen Angelegenheiten zu Varieté-Nummer herunterkommen, dann ist die Nation in Gefahr – das Absterben der Kultur wird zur realen Bedrohung.“ (S. 190)
Man könnte es nicht besser zum Ausdruck bringen.
Basis dieses blog-posts ist meine Rede zur Reifeprüfungsfeier an der HBLA für künstlerische Gestaltung Linz (Österreich) am 17.6.2025 (gehalten unter dem Titel „WoNACH RICHTEN wir uns?“), Foto: Pexels/Free Photo Library
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