Auf meine innere Uhr ist Verlass, sehr sogar. Der Stundensprung in der Nacht des letzten Märzwochenendes bringt mich stets etwas aus dem Tritt. Dabei heiße ich grundsätzlich diesen Stolperer nach vorne unserer Zeitmessung ja herzlich willkommen. Denn die Ausdehnung der Tageshelligkeit in die Zeitphase Abend lässt ja für die Freizeit, vor allem jene im Zeichen des Sports unter freiem Himmel, einiges mehr zu als damals. Ich bin alt genug, um auch zu wissen, wie es einmal ohne Sommerzeit ging.
Die Debatte um das Zeitumstellungsspiel (Österreichs Metapher dafür: Im Gastgarten rücken wir die Sessel hinaus, also „nach vor“, und im Herbst räumen wir sie hinein, also „zurück“) steht ja als enorm weltbewegendes Problem gern auf unserer EU-Agenda. Wohl weil wir uns dabei um die wirklich essenziellen Herausforderungen der Gegenwart etwas drücken können. Im Prokrastinieren ist die westlich-(post)industrielle Gesellschaft Europas wahrlich Königin.
Also, meine innere Uhr: Die klingelt beim Erwachen am Sonntagmorgen Ende März im körpereigenen Wecker, weil ich am Tag des Herrn ja keinen materiellen Aufwachassistenten benötige. Und nur wenn die innere Stimme höflich drauf ist, sagt sie halt „merde!“ statt … Denn was die Uhr dann zeigt, definiert der Kopf sogleich als eigentlich eine Stunde früher. Das Handicap des Gewohnheitstiers in mir schlägt das Frühstück zwar nicht aus, aber die Tageszeit dazu passt halt nach fünf Monaten mitteleuropäischer Normalzeitroutine nicht. Die Folgewirkung dazu bringt zu Mittag, dass ich esse, weil ich zu dieser Uhrzeit esse, nicht aber wegen Hungers.
Das Lichtempfinden durch den Tag (okay, der Sonntag der Vorwoche begann trüb, hellte zu Mittag kurz auf, Sommerzeit heißt sie und schaut halt noch gar nicht danach aus) kapiert schon, jetzt ist es wieder anders. Während das Sesselrücken zurück im Herbst mich kaum irgendwie problematisch belastet, braucht das im Frühjahr ein paar Tage Übergang.
Die beweisen sich als Härteprüfung am Tag zwei nach Umstellung. Denn da bin ich der frühe Vogel, der den Wurm fressen muss. Denn dass mich jetzt wieder Schummrigkeit in den Werktag begleitet, wurmt (österreichisch für: ärgert) einen. Ich entdecke an mir: Je älter ich werde, desto lichtabhängiger empfinde ich mich selbst.
Dann passierte mir am vergangenen Montag das: Ich unterrichte in der dritten Stunde an unserer Schule Deutsch in der Gruppe einer ersten Klasse, von 9:50 Uhr bis 10:40 Uhr. Ich habe da die analoge Uhr des Klassenzimmers in meinem Rücken, schaue nie darauf, das Timing kommt aus dem Unterricht selbst. In meinem Lehrerkörper aber war es das, was auch die (noch nicht umgestellte) Uhr zeigte, zweite Einheit, also 8:55 Uhr bis 9:45 Uhr. Und so strebte mein getakteter Unterricht auf ein Ende zur Minute 45 der laufenden Stunde, nicht zu der um 40 zu. Die letzte Aufgabe, auf die sieben Minuten, die ich noch zu haben vermeinte, bemessen, rief freundlichen Protest aus den Reihen auf den Plan und wurde von der Glocke nach zwei Minuten abgebrochen. Der Lehrer in mir ging eben erst durch die Phase Zeitumstellung und war montags am Vormittag noch in der mitteleuropäischen Normalzeit.
Foto: Pexels/Free Photo Library
Kategorien:Bildung, Soziales Handeln
