Wir nähern uns nun seinem Geburtstag, also dem tatsächlichen. Am Mittwoch der kommenden Woche ist es so weit und das, was uns hier in Oberösterreich seit Jahresbeginn hin- und herbewegt, in den Noten, den Tönen, die er, der Musikant Gottes, so kreativ gereiht hat, ja, das alles wächst nun in einem Crescendo in Richtung dieses kommenden Mittwochs, 4. September, zum Geburtstag von Anton Bruckner, Landeskomponist Oberösterreichs.
Als KulturEXPO ausgerufen füllte sich der Terminkalender zur gedeihlichen Befeierung der Wiederkehr des ersten Schreis vom kleinen Anton zuerst begrifflich missverständlich, EXPO, was für eine Weltausstellung übernimmt hier Patenschaft? Mittlerweile aber liegt diese Welt klar definiert vor, sie ist Oberösterreich, nur. Nabel der Brucknerwelt. Heute Sonntag beginnt zudem das dritte Trimester der Feierlichkeiten. Diese Definition von Zeitetappen lässt ermessen, dass auch nach dem 4. September noch (zu) viel zu erwarten bleibt, denn rapide abfallend, Luft, Zug, Musik, was auch immer auslassend, zu den beiden vollbrachten von drei Trimestern 2024 kann sich die dritte Vier-Monate-Periode nicht geben. Das Internationale Brucknerfest in Linz steht zudem vor der Eröffnung heute in einer Woche und der Name Bruckner ist nach dem time-out für seine Musik in der Ausgabe des Festivals 2023 heuer natürlich in jedem Konzert Programm.
Mir aber erscheint all das, was sich um den lieben Bruckner hier nun entwickelte, zunehmend als eine teleologische wie theologische Überhöhung. Es muss nun eintreten. Jede Veranstaltung, jede interpretative Ausleuchtung von Werk und Leben, zu Beginn des Jahres noch eine Verführung, nun gesteigert zu einer Intensität, dass man kaum noch wohin schauen, hören, lesen wollte, wo eben nicht dem Anton ein Kratzfuß der Verbeugung und Anbetung dargeboten wird, kann es dazu bringen: Ich habe es mit Blick auf die 24-stündige (sic!) Geburtstagsfeier am 4. September endlich verstanden, was das Ziel all dessen ist. Hat man sich Anfang Juli mit der neunten Sinfonie, dargeboten durch die Bamberger und unter dem Dirigat des fast 100jährigen, hoch geschätzten Herbert Blomstedt in der Stiftskirche von St. Florian, in deren Krypta Anton Bruckner bestattet liegt, schon in die nächstmögliche zeitliche und örtliche Nähe gedient, so muss das Programm vom 4. September 2024 00:00 Uhr bis 4. September 2024 23:59 Uhr nun doch erreichen lassen, was Takt, Dichte, Zuspruch, Huldigung erflehen (nnd im schönen Puppenspiel über die Merkwürdigkeit des Jubilars ja vorweggenommen war), nämlich – Bruckners Auferstehung. Erscheint er? Endlich? Selbst?
Die Verehrung ist am Limit, auf Ultimo, auf die Spitze der größten Orgelpfeife getrieben. Scheitern kann diese Beschwörung zum eigentlichen Geburtstag hin nur noch dadurch, dass man sich schon die Frage stellen muss und darf, wer nun an diesem Werktag eines Mittwochs der kommenden Woche am Ende eines Sommers und vor Beginn des „Neujahrs“ einer Arbeitsjahrrunde Muße, Energie und vor allem natürlich Zeit finden kann, all die 24-Stunden-Geburtstagsfeierlichkeiten auch tatsächlich zu rezipieren?
Es sei denn, sie/er wäre von den Verpflichtungen eines Erwerbslebens befreit, weil dieses bereits abgeschlossen ist. Oder sie/er wäre von Berufs wegen angehalten, daran teilzunehmen: Politikerinnen und Politiker, Verwaltungsleute, Kulturmanagement. Das wird also dann so etwas wie eine geschlossene Gesellschaft, die aus Funktion und Pflicht dem Anton zum 200. 24 Stunden lang ein „happy birthday“ wünscht.
So sehr ich mich in den frühen Wochen dieses Jahrs dem Lauf der geburtstäglichen Feierentwicklung verbunden zeigen konnte, so sehr muss ich heute anmerken, dass ich wie bei allem, von dem zu viel genossen wurde, die Überfütterung nahen spüre. Aber eine uns wohltuende Bruckner-Diät bekommen wir in Oberösterreich wahrscheinlich erst nach dem Jahreswechsel.
Foto: Seit Aufstellung vor 50 Jahren etwas mitgenommene Büste des Komponisten Anton Bruckner vorm Brucknerhaus Linz (Oberösterreich) am 26.2.2024
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