Soziales Handeln

„Im Blues“

Wenn jemand den Blues hat, so meint es die Redensart, dann ist sie/er in der Lage, den Weltschmerz zu fühlen, den es braucht, um Blues zu spielen, etwa auf Gitarre, Mundharmonika, Klavier oder Kontrabass. Das rückt jetzt in die heutzutage so gefährliche Zone von „cultural appropriation“ (kulturelle Aneignung), darum biege ich gleich einmal ab: Wenn wir sagen, „wir sind im Blues“, so benennen wir eine bestimmte Zeitphase nach unseren Reisen, unserem Urlaub.

Keine Heimreise könnte lange genug dauern, um uns behutsam und sanft wieder für jene Lebensweisen zu akklimatisieren, in denen wir dominant leben, also doch 50 von 52 Wochen eines Jahres. Wir könnten in diesen ersten Tagen nach dem Urlaub unrund werden mit dem, was hier wohl einen Begriff von Heimat zur Verfügung stellt. Noch dazu fühle ich es anders, vor allem in Ländern, die wir schon öfters bereist haben, in denen uns Land und Leute vertraut sind, nahe, mittlerweile längst auch in der Sprache und erst recht in ihrer Kultur.

Als das Flugzeug nach der Landung in Stockholm-Arlanda den langen Weg von der Runway zum Terminal rollte, sagte ich diesen Satz zur Liebsten: „Irgendwie ist, wieder hier zu sein, schon auch so wie ein Heimkommen.“ Da lag das Abenteuer unserer Individualreise noch vor uns, dann schnurrten die Tage nur so dahin, alles hat ein Ende, die Wurst hat zwei, der Urlaub eines. Mit dem ersten Schritt auf dem eigentlich heimischen Boden umfasst uns „der Blues“ und den leben wir dann auch aus.

So wie alles, was funktionell für unsere Reise notwendig war und ein paar Tage vor Abreise vorbereitet und verpackt werden wollte, muss es nun in der Wohnung – warten, „rasten“, natürlich, weil es gereinigt werden muss, und gut ausgelüftet. Das ist besonders wichtig.

Erst dann kommt der Part des Aufräumens, die Spuren unseres Reisens müssen lange in unseren Alltagen sichtbar bleiben. Wäsche-Häufchen warten geduldig „im Blues“ auf ihren Waschgang, da findet sich stets noch etwas für die jeweilige Temperatur-Klasse dazu, Ökologie trifft Ökonomie, schöner Nebeneffekt! Zum allgemeinen „Nachhall“ im Blues-Rhythmus des Schmerzes übers Vorbei-Sein der Urlaubstage gehören Arbeiten wie Sichtung von Fotos fürs Fotobuch und Wandkalender, die unsere Eltern zu Weihnachten geschenkt bekommen, das hat „bluesige“ Tradition. Noch ein paar nachgreifende Recherchen zu Beobachtungen von tagesaktuell relevanten Lagen im Land, das wir gerade noch bereisten, schärfen das Erlebte für die Erinnerung und ihre Verarbeitungen. Dazu gehört seit einigen Jahren nun auch, blog-posts über den Urlaub zu schreiben hat, dies hat sich mittlerweile auch ganz wunderbar in mein persönliches „Blues“-Pattern eingefügt.

Und: Dazu gehört fix und ganz selbstverständlich der Blick in die Zukunft des nächsten Sommers, auch wenn es an die 350 Tage zählen wird, bis es für uns wieder so weit sein kann aufzubrechen. Wir befreien uns vom Schmerz der Sehnsucht mit der Erwägung nächster Reiseziele, ich sage dazu gerne: „Wir werfen einen Anker nach vorne.“ Er zieht uns durch alle Herausforderungen des nächsten Jahreslaufs, den wir in diesem Fall von August bis Juli rechnen.

Foto: Irgendwo in Schweden, bewusst ohne genauen Ortshinweis 😉

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