In einer kleinen Gemeinde in Oberösterreich geschah an einem Montagvormittag Anfang Oktober etwas Schreckliches. Drei Hunde attackierten eine Joggerin, sie starb, zerfleischt, entstellt, sie verblutete. Die Hundehalterin der drei Staffordshire Terrier (sie hatte in ihrem Haushalt laut Medienberichte insgesamt vier ausgewachsene Tiere sowie sieben Welpen, mittlerweile sind alle entfernt und die Frau ist mit einem Hundehalteverbot belegt worden) wurde selbst im Zuge des Angriffs ihres Tiers gegen die Joggerin verletzt. Die politische Diskussion läuft, die rechtliche Aufarbeitung ohnedies.
Am Freitagnachmittag der vorvergangenen Woche, Dienst abgeschlossen, Rückkehr an den Wohnort, gönne ich mir im Spätsommerwetter einen Spaziergang in die Altstadt, mein Ziel: der Meister der Speise-Eiskreationen unserer Stadt, man gönnt sich ja sonst nichts (noch dazu am Tag zwei einer dreitägig verordneten Sportpause nach Impfung).
Mein Weg führt mich durch den Schlosspark der Stadt Steyr, ich betrete ihn an der westlichen Ecke und nehme mit Interesse einen Plakatständer wahr, mit dem wir Bürgerinnen und Bürger zu einer Diskussion über unsere „Innenstadtoase“ Schlosspark und ihre Zukunft eingeladen werden. Ich schmunzle über das Campingtisch-Arrangement neben dem Spielplatz, Tische, Stühle, eine Flasche Rotwein, ein paar Gläser. Senioren schärfen sich hier wohl ihre Zielgenauigkeit, die sie für ihr Boccia-Spiel benötigen, dieses läuft gleich nebenbei, mit Enthusiasmus, wie ich feststelle. Ich gehe vorbei, schaue aufs Treiben am Spielplatz, aus dem sich ein Mann löst. Mit Hund an der Leine. Kein Maulkorb. Ich bleibe hinter ihm und verlangsame meine Schritte, deutlich, aus gutem Grund. Der heißt: Montag.
Er hält die Leine in seiner linken, denn an der rechten Hand zappelt ein Kleinkind. Der Hund, es ist ein Staffordshire Terrier, zieht mit viel und zwar mit sehr viel Kraft nach links, die Leine (eine von jenen, die ausfahrbar sind) arretiert zwar. Die Zugkraft des Hunds ist sichtbar, denn die Körperachse des Herrls neigt sich mehr und mehr nach rechts, um den Ausgleich zu schaffen. Ich sehe den Herrn nur von hinten. Ich sehe den scharfen Undercut seiner Frisur und die kräftig gegelte Haarsträhne, die sich vom Scheitel bis etwa zur Mitte seines Hinterkopfs wie geklebt vorfindet. Das kleine Kind an seiner rechten Hand quengelt. Der Hund zieht. Der Mann stolpert irgendwie den Weg entlang, es sieht aus, als wäre er betrunken, was er sicher nicht ist (nehme ich einmal an). Aber sinnbildlich steht das Arbeiten seines Körpers gegen den Richtungswillen des Staffordshire Terriers für den jederzeit möglichen totalen Kontrollverlust über den Hund, was hoffentlich nicht eintritt.
Die Wege trennen sich, man kann unterhalb des Tümpels im Schlosspark Richtung Orangerie gehen (was ich eigentlich immer bevorzuge) oder oberhalb. Die mehr als gespannte Leine zwischen Tier und Halter plus Kleinkind zappelt in Richtung Weg unterhalb. Ich nehme also heute den oberhalb und ich werde schnell. Sehr schnell, am vierten Tag nach dem Unglück, das ganz Österreich aufgeschreckt hat. Flucht nach vorne.
Es liegt nicht am Tier, dessen Verhaltensweisen wir immer nur nach menschlichem Vorstellungsvermögen deuten und interpretieren (im Sinn von „vermenschlichen“). Es liegt an gewissen Hundehaltern, ihrer Unfähigkeit, ihrer Überforderung, ihrem Unvermögen, ihrem Potenzial, uns zu gefährden.
Herr mit Sternchen steht im Titel, weil es sich dabei nicht ausschließlich um männliche Personen handeln muss. Die Redewendung lautet aber der Alliteration (Anlautung) wegen so und nebenbei bemerkt: Den Titel findet man auch im Werk von Thomas Mann als den einer Erzählung, Untertitel „Ein Idyll“. Das gibt es natürlich vielfach, im Moment sicher nicht mit Staffordshires.
Foto: Pexels/Free Photo Library – Staffordshire Terrier- Welpe
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