Medien

Goodbye, Ö3!

Schon ein anderes Mal habe ich hier meine besondere, zuletzt immer wieder auch sehr kritische Beziehung zum Radioprogramm Ö3 des Österreichischen Rundfunk (ORF) beleuchtet. Heute kommt es mit meinem Lebensbegleitradioprogramm – Gründungsjahr 1967, gleicher Jahrgang wie ich – zum Bruch. Es geht nimmer: Ich kann und will nicht mehr hören, was es anbietet, weil es mir zu wenig bis nichts mehr bieten kann: Ö3 hat seine mit ihm gewachsene „community“ zurückgelassen; schon klar, Mittfünfziger sind werbetechnisch unattraktiv, gelten salopp als „Uhu´s“, das steht für „Unter Hundertjährige“. Mit uns ist nichts (mehr) zu machen. Für die Werbewirtschaft (und Ö3 ist halt die cash-cow des Unternehmens) stehen wir mit einem Fuß längst in der Grube.

Ich werde zudem den Verdacht nicht los, dass diese Vertreibung einer Strategie folgt. Denn Radioprogramm und das ganze Team dahinter (von dem sich nach langen 21 Jahren nun auch Leiter Georg Spatt verabschieden wird, wie unlängst bekannt wurde) verschrieben sich in den vergangenen Wochen ganz der „Generation Z“; einerseits, indem man pausenlos die Werbetrommel für die Teilnahme an einer Jugendstudie trommelte, andererseits einzelnen besagter Generation gewichtig Programmzeit spendete. Die Bundesschulsprecherin legte zwei Stunden Musik auf und posaunte vor und nach jedem Lied, dass sie 1,1 Millionen Schüler*innen vertritt und gerade maturiert. Ich muss auch immer abschalten, wenn jugendliche Influencer-Karrieren breit präsentiert werden. Ein harter Beruf! Soll sein, sorry, ich verstehe es nicht, Follower in sechsstelliger Anzahl sind schön und nett. Bleibt etwas, außer abertausenden Klicks?

Diese nun offensichtliche Fokussierung auf die Zielgruppe „Z“ braucht eine neue Generation von Moderatorinnen, von denen ich mich nicht mehr angesprochen fühlen kann und darf, etwa mit Selbstpräsentations-Sprech à la „Sharon is on“. Das würde ja auch alles funktionieren, wenn stimmig wäre, wer das Programm wirklich hört. Wenn ich aber so über Medienkonsum mit Zielgruppen spreche, die ich beruflich (als Lehrer in der Oberstufe) gut erreiche, fällt nicht signifikant quantitativ ins Gewicht, dass Jugendliche heute Ö3 hören. Einzelne tun es.

Ich will ja jetzt nicht nostalgisch legendäre Sendungsformate herbeireden. Aber ohne die tägliche Dosis „Dschi-Dsche-i-Wischer Dschunior“ im Ö3-Morgen stürzte ich mich dazumals nie in den Gymnasiasten-Alltag. Unter unseresgleichen gehörten Kenntnis und Nachspielen des Mini-Hörspiels zum Alltag. Es wurde uns Kult wie auch das Magazin „Die Musicbox“. Und unvergessen bleibt auch das feine Radio-Feuilleton von Axel Corti, „Der Schalldämpfer“, Corti wäre vor wenigen Tagen 90 Jahre alt geworden. Mit meinen Auswertungen der Hitparade von Udo Huber erwarb ich mir meine ersten statistischen Sporen. Alles Vergangenheit, heute schmückt so manche Sendung der Hinweis, diese „enthält Produktplatzierung“ und ich würde mir wünschen, dass als korrektes Verb „ist“ statt „enthält“ Verwendung fände. Das Produkt, das platziert wird, ist der Sender selbst. Denn in jüngsten Wochen ging es zuerst ohnedies nur darum, sich anrufen zu lassen, dann zu sagen „Ich höre Hitradio Ö3“, das konnte Geldsegen für die/den Angerufene/n auslösen wie zuletzt auch mit einem gutdotierten Gutschein für Sportequipment, ein Code aus der Ö3-App musste genannt werden. Hörerbindung per Cash! Getragen erscheint das Ganze vom kämpferischen Willen, ein Publikum vor den Lautsprechern und an den so beliebten kleinen Kopfhörer-Ohrstöpseln zu sammeln, das sich zugehörig fühlt. Plakatkampagnen zur legendären Aufwachsendung von Ö3 säumen zurzeit die Ränder unserer Landstraßen.

Da ist eine Veränderung bei Ö3 am Laufen (die vielleicht auch den verdienstvollen Chef zur Tür seines Büros hinausdrängt?). Dabei habe ich bisher noch keinen Satz darüber verloren, dass die Atolle für ein wirklich breites Musikrepertoire aus allen Stilrichtungen der vergangenen Jahrzehnte vom gegenwärtigen Musikproduktionsmainstream zunehmend überflutet werden. Noch ragt „Solid Gold“ am Sonntagabend heraus und dann und wann ein sogenannter „Musikfeiertag“. Dazwischen werden in heavy rotation wenige Songs „totgespielt“, allen voran im Frühjahr 2023 „Anti-Hero“ von Taylor Swift.

Ich nehme mich da jetzt heraus. Vergleichbare Sender, die man „sekundär“ (also begleitend zu privaten Aktivitäten oder beim Autofahren) gut hören kann, habe ich bereits probiert, irgendwie sind diese alle an der langjährigen Dominanz von Ö3 ausgerichtet und orientiert. Ich experimentiere noch, wohin ich mich wende. Eine Entscheidung ist definitiv gefallen, weg von Ö3, goodbye!

Foto: Pexels/Free Photo Library

3 replies »

  1. Das ist schade und tut mir leid, ich drücke die Daumen, dass du einen alternativen Sender findest, von dem du dich gern begleiten lässt. Ich habe seit ein paar Jahren auch hier in Italien „meinen Sender“ gefunden, die sprechen mich da sogar mit Namen an. 😎(http://tuttopaletti.com/2021/11/18/my-radio/)
    Uhus (danke für den Begriff), zu denen ich auch gehöre, sind eine anspruchsvolle Klientel. Wollen nicht als Oldies abgestempelt, aber auch nicht zu salopp behandelt werden. Dass sie keine geeigneten Werbekunden sind, ist natürlich voll daneben. Wer hat denn das Geld, wenn nicht wir? 😉

    Gefällt 1 Person

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