Medien

Hände vor den Schoß

Seit Angela Merkels Abgang von der politischen Bühne ist die Welt der Politiker(innen)hände auf offiziellen Fotos in ihren Posen seltsam einfältig geworden. Nein, nicht dass die Hände gefaltet werden, Fingerkuppen gegen Himmel gerichtet gar, stillgehalten wie ein asiatischer Gruß. Oder zum flehenden Beten in dieser Haltung rasch nach vorn und zurück bewegt, Ausdruck eines Verzweifelns vielleicht: Der Homo politicus, also der immer noch dominant männliche Mensch in der berufspolitischen Position, bändigt seine Hände im Anspruch auf das Eintreten ihrer digitalfotografischen Fixierung in die Ewigkeit des Archivs Datenbank oder sogar Internet, indem er die eine über die andere legt und dieses Hände-Paket in Gürtelhöhe der Anzugshose zur Ruhe bringt. Das strafft das Sakko darunter, unterstützt die Schwerkraft und zieht es vielleicht ein bisschen dem Boden zu. Die Spannung des Stoffs mag eine sonst vielleicht nicht so vorteilhafte Wölbung auf Bauchhöhe bei gleichzeitigem Einziehen all dessen dahinter zu einer Silhouette führen, die heute eben einem staatstragenden Mannsbild entspricht. Die besonders bäuchigen ihrer Art sind längst in den Annalen der Geschichte verschwunden. Auch Politik setzt auf wandelnde Schönheitsideale.

Entscheidend ist natürlich schon die präzise Positionierung der Hand-auf-Hand-Lagerung auf der verdeckten Gürtelschnalle. Zu hoch könnte es aussehen, als wäre das Mahl zuvor bekömmlich gewesen; zu tief – die Leidenschaft für Fußball aktiv wie passiv würde missverständlich hervortreten, denn ein die männliche Natur schützender Handschild ist für den hauptsächlich verbalen Angriff in der Politik hoffentlich nicht erforderlich. Die gedeckte Variante mit den Handrücken nach außen würde hier zwar passen. Sehr verbreitet ist aber auch das „Körbchen“, also wenn sich die Finger beider Hände verzahnen und die Konzentration ganz und gar der Ruhestellung beider Daumen dient, umkreisen dürfen sich die hier auf keinen Fall, dieses Fingerspiel stünde für Langeweile – die gibt es doch nicht in Amt und Funktion!

Wohin also mit den Händen, wenn der Hausfotograf das Objektiv auf einen hält? Gerade die Körpersprache der Hände ist rasch verräterisch und darum sehr gefährlich. Beide Hände an die äußeren Hosennähte gelegt, zu militärisch! Beide in die Hüften gestürzt, zu dominant! Beide Arme vor dem Oberkörper verschränkt, eine Hand dabei versteckt, die andere auf dem anderen Oberarm abgelegt, Abwehrhaltung pur! Erst recht alles, was den Arm in einem neunzig Grad Winkel vom Oberkörper abstreckt, zu offensiv! Oder zu schlafwandlerisch! Und über neunzig Grad in die Höhe darf der rechte Arm auf keinen Fall, historisch sofort verfänglich und höchst gefährlich!

Hände vor den Schoß, es bleibt kaum eine Alternative. Und wichtig ist die Präposition. Vor, nicht Hände in den Schoß legen. Auch wenn man sich des semantisch darin schlummernden Eindrucks schwer erwehren kann: Als Offenbarung zur gegenwärtigen Handlungsfreude in sehr vielen gesellschaftlich notwendigen Belangen wären die so körpersprechenden Politikerhände schon irgendwie erdrückend ehrlich.

Foto: OÖ. Landespressedienst – Symbolbild 😉

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