Von unbedeutenden oder geringfügigen Angelegenheiten, Kleinigkeiten eigentlich, die des Schreibens kaum wert sind, sich aber doch als Nebensachen in den Vordergrund spielen, weil sie die Wahrnehmung kitzeln: Darüber im Kontext meiner Leidenschaft für den Schwimmsport zu schreiben, wiederholt und unter der Beflaggung solcher Texte als „Beckenrand-Bagatellen“, nahm ich mir in diesem Frühjahr vor. Und wie lose ich hier im Takt bin und bleiben werde, lässt sich darum an der Zeit zwischen heutigem Erscheinungstermin und jenem zuvor bemessen.
Betrete ich (saisonbedingt zurzeit natürlich meine bevorzugten Hallen-)Bäder fürs Schwimmtraining, checkt mein Blick rasch ab, wie es um den Schwimmbetrieb im Becken bestellt ist. Ich studiere das Blau des chlorierten Wassers, strukturiert mit den schwarzen Linien, die dich als Schwimmenden leiten. Ich taxiere, wer sonst noch ihre oder seine Bahnen zieht, und darin vor allem – wie das geschieht.
Mit dem Ergebnis wächst dabei nicht selten das Bedürfnis, das beabsichtigte Training – Konzept im Kopf oder auf durch Laminieren wasserfest gemachtem Plan auf Papier – zu kippen, denn die Palette des Schwimmens, vorzugsweise des Kraulens, präsentiert sich vielfältig, als Freistil, vielleicht sogar ein bisschen sehr besonders frei. Da sieht man manche, die wie sich an unsichtbaren Planken festhaltend durch die Chlorwellen pflügen, deren Körperachsen bei jedem Armzug so unkontrolliert durchs Wasser schlagen, als gelte es die Fortbewegung eines unter Wasserdruck zappelnd gewordenen Gartenschlauchs zu imitieren. Andere senken ihre Köpfe, beschämt vielleicht, sehr tief unter die Wasseroberfläche, wodurch der Weg des Gesichts nach links oder rechts heraus zur Luft lang wird. Es sieht nach dem beständigen Versuch aus, mehr Tief- oder sogar einen Tauchgang zu erreichen. Und andere reißen sich aufbäumend aus dem Wasser, heben sich – mit welcher Kraft aus ihrer Körperspannung! – aus dem Nass und bieten eine nach Luft lechzende Fratze, als höbe sich die Mumie in den gleichnamigen Horrorfilmen aus dem Sand.
Kommt mein Hochmut dieser Urteile über den Schwimmstil anderer vor dem eigenen Fall ins Chlorwasser? Ja, schon irgendwie. Denn ich fühle mich dann immer angehalten, in diese (ein paar Zeilen vorab nur auszugsweise) dargestellten Bewegungsabläufe von Kraulen durch „schönes“ Schwimmen ausgleichend zu wirken. Irgendwie spüre ich Verantwortung fürs ganze Bild, für eine zu erzeugende, natürlich nie definitiv bestimmbare Ästhetik des Schwimmens.
Wie also steht es um Eleganz im Stil? Ohne Anspruch auf ihre tatsächlich endgültige Erreichbarkeit, der gesicherten, also der absoluten Perfektion, aber schon halt immer im Streben nach ihr, sucht man nach Stabilität in der Wasserlage und daraus ruhiger Rotation um die eigene Körperachse für die Armzüge. Für das Atmen, für das Eintauchen der Handfläche nach Lehrbuch, wenig Luftblasen im Wasser dabei, dann Ellbogen, der Zug, das Spüren des Wasserwiderstands, was einen zugleich nach vorne treibt, Rhythmus dabei. Und Ruhe, Gleiten, Atmen ganz knapp über der Wasseroberfläche. Es gibt nichts Schöneres und es ergibt die Schönheit des Kraulschwimmens.
Natürlich erscheine ich mit diesem inneren Antrieb zum ausgleichenden Handeln für Ästhetik im Becken als ein wenig zwänglich, ich stehe dazu. Das rührt ganz gewiss auch daher, dass es gar nicht so lange her ist, fünf Jahre in etwa, da ich mich selbst zu den gartenschlauchgekrümmten, auf unsichtbaren Planken treibenden, als Mumie aus dem Wasser auftauchenden Kraulern zu rechnen hatte.
Heute, nach Kursen, die Profis leiteten, und immer wieder auch unter Fremdbeobachtung durch geschulte Augen, leiste ich darum für das vor Jahren durch mich verunglimpfte ästhetische Gleichgewicht im Wasser Ausgleich. Im Sinn dessen, was ich dazu immer sehr gerne sage: Das Auge schwimmt mit.
Foto: Die Sehnsucht nach draußen und die Schönheit des Beckens an sich, am 25. Juni 2022, kurz nach einem Gewitter (ich war damals der Erste und hatte es für gut zehn Minuten ganz für mich allein).
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