Zu viert bilden wir zehn Prozent einer Gruppe, die vor einem hölzernen Tresen steht. Dahinter hat eine Mitarbeiterin der Agentur Deportur einmal richtig Luft geholt. Mit diesem einen Atemzug lässt sie nun gefühlte zehn Minuten in Katalanisch Instruktionen auf uns 40 niederprasseln. Wiederholt fällt das Wort „pantalón“ (Hose) und auch ein „non fumar“ (also: nicht rauchen) erfassen wir. Als sie dann doch einmal Atem holt, bringt ihr der Sauerstoff die Idee zu fragen, ob auch Nicht-Spanisch/Katalanisch-Sprechende in der Gruppe sind, die sich auf ihr Rafting-Abenteuer vorbereiten. Wir outen uns mit der Bitte um eine englischsprachige Einführung und haben damit den Applaus der Spanier rund um uns sicher. Man schickt uns einen (den einzigen?) englischsprachigen Bootsführer. Juan braucht für alles, was zu sagen ist, dreißig Sekunden. Christa, Sandra, Verena und ich fassen die Ausrüstung aus und verschwinden in die nach Geschlechtern getrennten Gruppengarderoben. Neoprenlatzhose und -schuhe sind noch restfeucht vom Einsatz am Vortag, das fordert beim Anziehen besonders. Der Schweißausbruch dabei macht’s nicht einfacher. In die Jacke schlupfe ich kinderleicht. Deportur hält etwas auf einheitliches Design. Auf dem linken Oberschenkel haben wir nun alle den Firmenschriftzug, wir fassen gelbe Schwimmwesten und gelbe Helme aus. Team-Spirit braucht auch Team-Dresscode.
Man shuttlet uns zur Einstiegsstelle. Knallrote Raftingboote liegen bereit. Uns, die sprachliche Minderheit unter den 40, die um zwölf Uhr in die Welle fahren werden, die eine dann geöffnete Schleuse in die noch so harmlos dahinplätschernde Garona lassen wird, schickt man vor ins erste Boot. Schulung: Wie hält, wie führt man das Paddel richtig? Wie sitzt man? Wohin gehört der linke, wohin der rechte Fuß? Die Kommandos, Sicherheitsinstruktionen. Juan wischt unsere Anmerkung, dass drei von uns newbies sind (nur Christa hat in Sri Lanka und Costa Rica bereits Rafting-Erfahrung gesammelt, warum wir sie dann auch links vorne ins Boot setzen), mit der Bemerkung weg, es sei hier heute sein erster Arbeitstag. Okay, das also ist die Humorfrequenz unseres Steuermanns. Woran er keinen Zweifel lässt: „Ich fahre, ihr seid der Motor“. Wir vier bekommen noch drei Spanier zur Unterstützung, sieben MS (Menschenstärken) also hat unser Raftingboot.
Das Wasser steigt, es wird lauter. Die Deportur-Crew bringt mit ihren Schlauchboot-Galeerensklaven die rote Armada so ans Ufer, dass die anschwellende Garona sie unterschwemmen kann. Der Ritt beginnt. Grau und trocken war die Theorie, die ersten hundert Meter gehören dem Praktizieren all dessen, was wir zuvor mit festem Boden unter den Füßen geübt haben. Das behagt mir sehr.
Ab dann komme ich voll in den Genuss. Ich sitze rechts in der dritten Position, vor mir als Erster ein junger Spanier, dahinter seine zarte Freundin. Sie schafft nicht wirklich den Paddelschlagtakt ihres Liebsten aufzunehmen. Links ist Christa Frontfrau, dahinter Sandra, Verena an dritter Stelle. Während hinter mir Juan werkt, unterstützt der dritte Spanier unserer Besatzung hinter Verena die Manöver auf der linken Seite. Was anfänglich noch stark im Englischen mit „forward“ und „backward“ befohlen wird, verwandelt sich mit den Anforderungen der Garona (erster Teil Stufe 3, dann Stufe 4 nach genormter Schwierigkeitsskala) immer mehr ins Spanische. Auch so kann man Vokabel lernen: „adelante“ für vorwärts, „atrás“ für rückwärts. Dass es sich bei „rápid“ in diesem Fall nicht um den Wiener Traditionsfußballclub, sondern eine Stromschnelle handeln muss, liegt auf der Hand, die das gelbe Paddel wieder und wieder in das eiskalte Gebrodle sticht.
Wir Sklaven im knallroten Schlauchboot arbeiten uns gut durchs wilde Wasser der Garona. Plötzlich, es geht abartig schnell, verschwindet Sandra rücklings ins Wasser. Unser Guide hat uns eingedrillt, dass wir in diesem Fall weiter zu tun haben, was er eben anschaffte. Wir bemühen uns. Er selbst macht einen Schritt durchs Boot zum Platz, wo eben noch Sandra saß, hängt sich raus, packt Sandra und schon krabbelt sie zwischen Verena und mir wieder vorbei an ihren Platz. Dass Juan später Sandra anherrscht, sie hätte ihre Füße falsch in den Schlaufen, sie zieht sie raus, und er sie da nochmals ins Garona-Wasser schickt, gehört genauso zur Inszenierung der Rafting-Tour wie unsere Autodrom-Spielereien mit dem Boot gegen flache Felswände.
Jetzt komme dann eine besondere Stelle, sagt Juan in Englisch, der weitere Satzteil geht im Wasserrauschen unter, wir hören nur „pigeon“ und rätseln. Er und sein spanischer Seitenruderer bekommen mit, dass wir nicht verstanden haben. Der Spanier deutet dann mit dem Zeigefinger in seinen Schritt und formuliert klarer: „pu**y of virgin“. Der Fluss teilt sich, in der Mitte steht eine flache Ellipse mit Gräsern in der Höhe von 40 bis 50 Zentimetern. Alles klar also.
Nach achtzig Minuten ist das geniale Abenteuer bewältigt. Es folgen Shuttle zum Camp, Entleeren der Neoprenschuhe, ein Abschälen der Neopren-Wursthaut, die unsere Körper so perfekt formte. Etwas „wet neopren“-Geruch nehmen wir mit in den weiteren Urlaubstag. Rafting stand auf meiner „bucket list“. Also: check! Wiederholung? Aber ja doch, sehr gerne.
Postskriptum: Deportur schickte eine Fotografin entlang unseres Garona-Ritts, sie präsentierte ihre Fotos auch auf einem Monitor im Camp, leider nicht nur ohne Nummerierung, sie ließ sich auch für das Geschäftliche nicht mehr blicken. Verena war fürsorglich und gab der kleinen Spanierin ihre Telefonnummer, weil das Pärchen von Verwandten während ihrer Rafting-Tour fotografiert worden ist. Der Bitte, uns Fotos zu übermitteln, kam diese nur leider bis heute nicht nach.
Insofern behelfe ich mich zur Bebilderung mit einem Youtube-Clip von Angel Vazquez (gracias!): Quelle https://www.youtube.com/watch?v=Lg-mZg3op2g
Sollten wir noch Fotos bekommen, erfolgt ein Update!