Kulturpolitik

Vor dreißig Jahren

Es ist wohl Zeichen des Alters, dass man als Zeitzeuge angefragt wird, so geschehen vor Monaten durch Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer der Kulturplattform (KUPF) Oberösterreich. Ihn interessierte, wie es zur „Guttenbrunner Erklärung“ kam, im Jänner 1995, also nunmehr vor dreißig Jahren. Im Büro der Interessensvertretung bietet das Archiv zur Genese keine Auskunft, keine Protokolle.

Ich war damals im namengebenden Dorf nahe Hirschbach im Mühlviertel (Oberösterreich) mit dabei. Die Erklärung entstand protokolllos, eigentlich in einer Art Krisensitzung des Vorstands samt Beiräten (zu denen ich damals gehörte). Wir traten informell zusammen, ohne Ziel, führten aber einen guten Diskussionsprozess und die „Guttenbrunner Erklärung“ war ein in der Situation entwickeltes, sehr notwendiges Instrument unseres politischen Marketings.

Was war vor Guttenbrunn passiert? Im Oktober 1994 wurde meine Dokumentation „Die Kultur, die sie meinen“, eine Sammlung und darin Verdichtung der kulturkämpferischen Attitüden der Freiheitlichen nicht nur gegen die sogenannte Alternativkulturszene, präsentiert. Dort vor Ort, im bis auf den letzten Platz gefüllten Redoutensaal in Linz, mischten sich auch einige Freiheitliche unters Publikum. Der einzige, der aus diesem heraus (auf Parteilinie und mit dementsprechend eingelernten Formeln) mitdiskutierte, war Rechtsanwalt Dr. Michael Krüger, später einmal ganz kurz Justizminister einer Schwarz-Blau-Regierung.

In Reaktion auf meine Dokumentation, die in ihrem Titel eine Leitschrift des Parteivorsitzenden paraphrasierte und die kulturfeindlichen Handlungen trocken sachlich verdichtete und in ihrer beabsichtigten strategischen Wirkung durchschaubar machte, wurde eine liebe alte Frau aus dem Innviertel, einfaches Parteimitglied, angeblich aus eigenen Stücken, aktiv und sie bastelte auch eine Dokumentation, in der sie Kulturvereine in Mitgliedschaft der KUPF ins Eck eines linksextremen Terrors rückte.

Provokation war bzw. ist schon immer ein Mittel des Populismus: Diese Provokation allerdings wurde zum Prüfstein für den Interessensverband. Im Zug dieser Selbstprüfung gab sich die Kulturplattform Oberösterreich in fünfzehn Punkten der „Guttenbrunner Erklärung“ ihr Credo.

Die erfundenen Vorhaltungen der Frau Parteimitglied wurden übrigens rechtlich bekämpft. Es brauchte damals den Weg zu Gericht, dort zogen die Freiheitlichen in einem Vergleich alles zurück. Ich saß damals am Landesgericht als geladener Zeuge vor der Tür des Verhandlungssaals, wurde aber nicht mehr befragt, weil die Freiheitlichen schon klein beigegeben hatten.

Für die Wahlauseinandersetzung zur oberösterreichischen Landtagswahl 1997, bei der die Freiheitlichen mit Kampagnen gegen Kunst und Kultur vor allem der alternativen Kulturszene punkten wollten, hatte die ganze Sache inklusive „Guttenbrunner Erklärung“ zumindest die Wirkung, dass diese Wahlkampfschlacht so nicht geführt werden konnte. Jahre später entdeckten die Freiheitlichen dann das Thema Musiktheaterbau (im Berg) als ihr Reibethema (Volksbefragung 2000). Heute blitzen immer wieder ihre kulturpolitischen Ideen und Vorschläge kurz auf, zuletzt zumeist zu Finanzierungsfragen von Museen und natürlich ist ihre Reserviertheit gegen alles rundum den (nackten) Körper in der Kunst weiterhin gegeben. Das wird sich niemals ändern, wie auch. Irgendwie haben Kunst und Kultur Routine entwickelt, damit unaufgeregt pragmatisch umzugehen. Dass die „Guttenbrunner Erklärung“ trotz ihrer dreißig Jahre nichts an Aktualität eingebüßt hat, stimmt zwar nachdenklich, zeigt aber auch die zeitlose Kraft ihrer Formulierungen. Das erfüllt weiterhin mit Stolz: Was für eine exzellente Teamarbeit von Vorstand und Beirat, dazumals im Jänner 1995!

Foto: Hermann Nitsch – 20. Malaktion (1987). Hermann Nitsch (1938-2022) war ein österreichischer Künstler, dessen Schaffen regelmäßig für Erregung sorgte, lange Zeit wurde es auch bewusst von den benannten politischen Kräften attackiert. Foto: Jean-Pierre Dalbéra, Wikimedia Commons, lizenziert unter Creative CommonsAttribution 2.0 Generic [abgerufen am 4.2.2024]

Hinterlasse einen Kommentar