Meine Entscheidung, dem Radiosender (gegründet in meinem Geburtsjahr und daher eigentlich) meiner Generation „Goodbye“ zu sagen, erzwingt sich eine lebenssituationsbedingte Ausnahme, im Auto. Dort kann ich nicht primär hören (also bewusst zuhören, zum Beispiel das Programm Ö1), weil ich ja mein Fahrzeug lenke und gut daran tue, den immer verrückteren Verkehr mit allen Sinnen einzuordnen oder in seinen unmittelbar bevorstehenden Entwicklungen zu antizipieren.
Am Lenkrad also bleibt die ewig gleiche Mischung aus wenigen gehypten Songs, Comedy und (doch wirklich wichtiger) Verkehrsinformation oder verknappter Nachrichtenlage alternativlos erträglich. Am Lenkrad muss der hörende Fahrer eben auch in Kauf nehmen, dass es dem Sender, cash cow des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich, nicht nur um den Marktanteil seiner sich ändernden Stammhörenden-Generation geht. Es geht immer um Geld und das erst recht vor Weihnachten.
Eigentlich geht es da nur noch um Geld: einerseits jenes, das im österreichischen Handel für Geschenke ausgegeben worden ist, welches via Radio zurück in die Brieftaschen der Konsumenten wandert. Die Ekstasen nach Refundierung werden dabei für Ö3-Österreichs Ohren gerne und oft wiederholt. Andererseits steigt mit kommendem Donnerstag ein weiteres Mal ein Programm namens „Weihnachtswunder“, eine auf 120 Stunden ausgelegte Juke-Box, in die je mächtiger die Beträge für Wunschliedgut eingebracht werden, umso deutlicher die Namen von Spenderin oder Spender (Unternehmen nutzen das zum Placement ihrer Marke) ins Programm eingerückt werden. „Dauerwerbesendung“ hieße das im Privat-Medium. Medienrechtlich dürfte der karitative Aspekt dahinter diese wundersame Verschwommenheit eines öffentlich-rechtlichen Radioprogramms übersehen, eher -hören lassen. Dass da Stars und Sternchen auftreten und für sich werben, am Ort eines Live-Geschehens, für den die dem gläsernen Mobil-Studio Herberge gebende Kommune kräftig ins öffentliche Säckel greifen muss, um die Realisierung des Events zu ermöglichen, wärmt uns auch nur in dieser Verpackung mit möglichst viel Wohltätigkeitswatte.
Andernfalls würden wir uns abschütteln. So wie ich es tue, denn leider fügte es sich in den Jahren zuvor immer so, dass ich just auch zur Minute des Finales dieser Dauerwundersendung im Auto saß, wenn das moderierende Trio den Spendenerlös aus fünftägigem Jukebox-Brauchtum in neuer Rekordhöhe erwartete und die Verkündung (ja, wirklich eine nahezu liturgische Handlung) mit dem Satz beschwor: „Weihnachtswunder, werde wahr!“ Dann die Summe, der Tusch, der Applaus, in der Sekunde darauf die Nachrichtensendung zur nächsten vollen Stunde, in der der Moderator als Top-Meldung sogleich nochmals den neuen Rekord an Spendenerlös berichtet.
Mich hat da 2023 so der Ekel gepackt. Ich weiß darum meinen Vormittag des 24. Dezember heuer so zu organisieren, dass ich diesem Warenwert von Wunder mit einem wahren Wert von Wunder begegnen kann. Was genau geschehen kann, dazu habe ich eine kleine Idee, die darf in den nächsten Tagen noch wachsen, und sie bleibt privat.
So wie ich in den kommenden drei Wochen, denn mein Blog geht in die Weihnachtspause. Auf Wiederlesen am 5. Jänner 2025!
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