Bildung

Berti Bartolottis Bilder

Am Landestheater Linz (Oberösterreich) spielt man seit dem Dreikönigstag die Bühnenversion eines Kinderbuchklassikers. Christine Nöstlingers Untersuchung über die Wohlerzogenheit eines Kinds – namens „Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse“, welche übrigens hier per Amazon und Post kommt – stellt die Frage aller Fragen: Wer erzieht eigentlich wen? Und wie? Die Eltern das Kind? Das Kind die Eltern? Was sind Werte? Welche verstauben durch die Geschichte und durch Generationen? Dazu muss die Pflicht der Kinder gehören, den Müll hinauszutragen. Zumindest die Reaktion im Zuschauerhaus bei der Premiere legt das zwingend nahe. Wie ist es bei Patchworkfamilien? Die alleinerziehende Mutter, hier shoppingsüchtig, kurbelt sich (mit dem guten alten Verschlusssystem von Fischdosen) den in der Endfertigung so „gut“ programmierten Siebenjährigen in Unterhose und -leibchen aus der Dose. Der bibbert, entsterilisiert anfällig für Kälte, bei Nichtgefallen und Retoure droht ihm die „Umdosung“. Den Modetrend der schönen Strickweste der Mutter trägt er vorerst folgsam, ebenso den für ihn dann erstandenen weißen Sweater mit dem Aufdruck der moralischen Botschaft gegen uns in der Konsumgesellschaft: „buy less“.

Anpassung taugt einfach nicht als Maß für ein Kind, sein Widerstand gegen das Konventionelle kickt uns aus den Gleisen unserer gefälligen Gleichmütigkeit. Frechheit siegt! Das gab uns (einigen Generationen!) Christine Nöstlinger mit. Die Dialogpassage der per Kind-Zustellung zur alleinerziehenden Mutter gewordenen Berti Bartolotti „Ich habe Kunst studiert“, darauf „Kein Problem!“, so die Antwort von Instant-Kind Konrad, ist in Familien, in denen sich die Fiktion mit der Realität trifft (unserer!, denn die Mutter unserer Tochter studierte Kunst!) zum geflügelten Wortwechsel geworden.

Was aber treibt mich in die ausverkaufte Premiere einer durch ein so spielfreudiges Ensemble höchst vergnüglichen Produktion für Publikum ab acht Jahre, welches mit Mama, Papa, Oma, Opa am ersten Samstag des Jahrs auch für kräftig Stimmung sorgte? Repräsentation, und vielmehr Stolz! Beides als Schulleiter der besten Schule in der Stadt.

Denn Bühnenbildner Daniel Angermayr, der vor wirklich vielen Jahren unsere Schule, die Höhere Bundeslehranstalt für künstlerische Gestaltung in Linz, besucht hatte, wurde im Frühjahr 2023 per E-Mail mit einer Idee bei uns vorstellig. Es folgten Konzeptionsgespräche, dann startete die Kooperation für sein Bühnenbild mit Schuljahrbeginn in unseren Werkstätten. Die Figur Berti Bartolotti ist als Künstlerin Textildesignerin, ihre Wohnung im Bühnenbild natürlich ein Spiegelbild ihres Schaffens. Die Textilbilder an den Wänden (in allen nur erdenklichen Techniken) stammen von „ghost-Designern“. An die 130 Schüler:innen unseres Hauses waren beteiligt, vom ersten bis zum vierten Jahrgang. Also auch unsere Newcomer sind hier schon mit ersten Arbeitsergebnissen präsent geworden genauso wie erfahrungsreiche junge Kunstschaffende, die im vierten von fünf Schuljahren schon den Blick in Richtung ihres persönlichen Gestaltungsprojekts (fachpraktische Arbeit zum Schulabschluss im fünften Jahrgang) und Matura gerichtet haben.

Bis zum Ende der Aufführungsserie sind die Textilbilder Bestandteil von Berti Bartolottis Wohnung. Wer sich in das eine oder andere verliebt und es für die eigenen vier Wände möchte, kann sich mit uns in der Schule in Verbindung setzen (E-mail: office@hbla-kunst.eduhi.at). Die Arbeiten sind erwerbbar, der Erlös kommt den Schüler:innen zugute: Die eigene Wohnung zieren können sie natürlich erst nach der allerletzten Aufführung. Die steht mit 2. Juli 2024 im Spielplan des Landestheaters Linz.

Foto: Turbulenzen in Berti Bartolottis Wohnung, Augenmerk bitte auf das, was an den Wänden hängt! – Bild: Philip Brunnader, mit freundlicher Genehmigung des Landestheaters Linz

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