Theater

Nach Prosperos Pfeife in der Pflicht

Man tut gut daran, möchte ich meinen, dass man bereits eine Inszenierung von William Shakespeares „Der Sturm“ mit all seinem Personal gesehen hat. Dann erst entfaltet sich die Konzentration auf drei Figuren (Prospero, Ariel, Caliban) – so die dramaturgische Bearbeitung und auch Übersetzung durch Joachim Lux – in ihrer Aussagekraft.

In Gmunden (Oberösterreich) hob Mitte Juli ein weiterer shooting-Star der österreichischen Regieszene, Moritz Franz Beichl, diesen Text mit Sinn für Bildhaftigkeit in Spiel und Ausstattung auf die Bühne des Stadttheaters. In der zweiten Schauspieleigen- und zugleich -koproduktion nach der im Vorjahr zeigt Karin Bergmann, vormals Burgtheaterdirektorin, nun in Verantwortung für Schauspiel bei den Salzkammergut Festwochen, wie sie ihre Handschrift fortführt, dieses Mal zum Shakespeare-Schwerpunkt: Ihre Kunst kommt aus ihrem Netzwerk, der Wahl der Handelnden, welche sie zusammenspannt, im Stab und natürlich in der Besetzung.

„Der Sturm“, Shakespeares Alterswerk, diese existenzialistische Ver- und Entzauberung des Abschieds, konzentriert sich in der Ménage-à-trois-Version auf die Machtaspekte, die Rache des ins Inselexil verdrängten Fürsten von Mailand. Er treibt diese unersättlich voran und fordert darin seine zwei ihm zum Dienst verpflichteten Wesen, vor allem den Luftgeist, den er wieder und wieder ruft, nahezu triebhaft. Die Ariel versprochene Freiheit soll sich erst dann einstellen, wenn immer noch eine Tat gegen die Feinde gesetzt worden ist, und eine weitere, immer noch nicht genug, darum die nächste; es geht an die Grenze, wenn nicht sogar über sie, von Machtmissbrauch.

In der Fassung von Joachim Lux kommt heraus, wie nahe Ariel Prospero steht, wie sehr der steuernde Wille Prosperos ihn dominiert, während Caliban auf Mord am Gebieter sinnen darf, dies natürlich uneinlösbar. Diesen Unterschied zwischen den beiden Prospero dienenden Verteidigern der Insel (zugleich von ihm selbst) arbeitet auch Beichls Inszenierung heraus, mit der großartigen Sona MacDonald als Prospero, eine Wohltat ihre Stimm- und Sprechfarben, rot gewandet in einem zeitlosen Kleid, das Kostüm vergrößert die Gesten des Herrschens, die dirigierenden Arme, die grazilen Hände der feinsinnigen Schauspielerin. Ihre Kurzhaarfrisur gibt ihr jenen androgynen Charakter, in dem sie sich zu einer Mutterfigur wandeln kann, dann am Schluss, wenn sich in der einzigen nahen, fast berührenden Geste Ariel vom Herrscher (der Herrscherin oder doch der Mutter?) lösen darf.

Dieser Ariel, gespielt von Sebastian Wendelin (der schon im Vorjahr dem Ensemble der Festwochenproduktion angehörte), geht in dieser auf hundert Minuten verknappten Fassung durch eine ganze Menge männlicher Figuren im „Sturm“. Er ist einmal Ferdinand, dann Alonso, und die Spaßmacher-betrunkener Kellner-Szene bringt Wendelin im Slapstick des nahezu alle paar Sekunden wechselnden Rollentauschs zwischen Trinculo und Stephano als Mitte von Drama und dieser Inszenierung mit besonderem Glanz über die Rampe. Dabei wählen der Regisseur und sein Ausstatter Robin Metzer (die Bühne schließt ein schöner Horizont mit Wolkenhimmel, darauf stimmige Projektionen, dazu ein paar Kulissenwagen mit Felsenlandschaften) für Ariels Kostüm die historische Schublade: In etwas derangierter Renaissance in Schuhen, Rock und einer blonden Langhaarperücke wird das alle Aufträge erfüllende Spiel Ariels nach Prosperos Pfeife nicht nur den Umgebungstemperaturen Mitte Juli 2023 im Stadttheater Gmunden wegen schweißtreibend.

Auf der anderen Seite erlebt man Caliban, Sohn der Hexe Sycorax, Vorbesitzerin der Insel, somit ein Kriegsgefangener, wenn man so will, in Josephine Bloëbs und Beichls Deutung nahezu traditionell. Das Monster oder das „Mondkalb“ (Stephano und Trinculos liebevoller Name) bewegt sich in einer Art affenartigen Gang auf allen vieren, umso schöner der Verwandlungsprozess in die aufrechte Körperhaltung der Miranda und die darin sofort durchschlagende wundervolle Ausstrahlung der Schauspielerin (trotz krallenartiger Fingernägel und geschminkt schmutziger Caliban-Zehen!). Alle drei überzeugen auch durch einfühlsam interpretierte Liedbeiträge zur Musik von Fabian Kuss, Josephine Bloëb tut sich darin aber besonders hervor.

Der Premiere und zwei Reprisen im Programm der Salzkammergut Festwochen 2023 folgen nun die Aufführungen beim Kooperationspartner im Stadttheater Klagenfurt. Wer Freude an kompakter, in den Bildern der Inszenierung poetisch farbig dichter Ausdeutung zum Thema Macht in Shakespeares „Sturm“ hat, muss die Reise an den Wörthersee planen. Die Premiere dort findet am Donnerstag, 12. Oktober 2023, statt.

Foto: Ariel (Sebastian Wendelin) und Prospero (Sona MacDonald) in „Der Sturm“ – Foto: Rudi Gigler, mit freundlicher Genehmigung durch die Salzkammergut Festwochen

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