Wenn Filme literarische Motive oder Vorlagen in ihre Dramaturgien übersetzen, treibt es mich Literaturliebhaber und -wissenschaftler ins Kino, zuletzt zu „Undine“ des deutschen Filmregisseurs Christian Petzold, dessen nüchterne Klarheit, in Bildern Geschichten zu erzählen („Yella“ mit Nina Hoss und Devid Striesow ist für mich einer seiner bedeutendsten Filme), mich seit jeher einnimmt.
Mit „Undine“ eröffnet er in diesem Jahr – der Film hätte im Frühjahr starten sollen und kam nun wie so viele corona-bedingt erst im Sommer 2020 ins Kino – neuerlich eine Trilogie nach literarischem Baumuster. Der vorliegende Teil eins bezieht sich auf das aus dem Mittelalter stammende Wasserwesen, das insbesondere in der deutschen Romantik künstlerisch bearbeitet worden ist. Zu Erd- und Luftgeistern sollen zwei weitere Filme folgen.
Bei Petzold ist Undine (mit dem wunderschön klingenden Nachnamen Wibeau) promovierte Historikerin und sie führt interessierte Gruppen durch die Modellausstellung zur Stadtentwicklung des sich durch die Wiedervereinigung gewandelten Berlin. Im Café gegenüber beginnt der Film mit dem dialoglosen Studium der Mimik zweier Gesichter, dem von Undine, dem von Johannes. Er hat mit ihr Schluss gemacht. Und der für (eine) Undine gebotene Satz fällt als einer der ersten im Film Gesprochenen: „Wenn du mich verlässt, muss ich dich töten.“ – „Ach, red´ doch keinen Scheiß´!“, antwortet Johannes. Da ist eine andere Frau in seinem Leben und auf einer Fußgängerbrücke über die Spree kommt es später zu einer Begegnung der beiden neuen Paare, Johannes mit Nora, Undine mit Christoph, einem Industrietaucher, den sie zufällig kennen und lieben lernt. Das famose Szenenbild (siehe Beitragsbild) steht für die penibel arrangierte Fotografie und Kameraführung von Hans Fromm, Undine blickt über die Schulter Christophs dem ehemaligen Freund nach. Christoph spürt dabei, wie er ihr später am Telefon in Eifersucht vorhält, dass ihr Herz ausgesetzt habe.
In solch sanft-subtilen Spuren entfaltet sich das moderne Märchen, das Petzold erzählt, besonders schön, doch Undines Wasserwesenzauber gehorcht in der Realität eines gegenwärtigen Berlin der Brutalität ihrer literarisch zugeschriebenen Verheißung. Dafür hat das Produktionsteam nicht nur wenige auserwählte Schauplätze gefunden, die der Liebesgeschichte romantisch (auch in Bedeutung der kulturhistorischen Epoche) stimmigen Raum, sowohl in der Natur als auch in der Stadt, gibt. Wie immer zeigt Petzold sein Gespür, ein Schauspielensemble behutsam zu führen, und in den Intensitäten seines Spiels entschleunigt eine Geschichte zu erzählen, hier allen voran zu nennen sind Franz Rogowski als Industrietaucher Christoph und Paula Beer als Undine, die dafür bei den Berliner Filmfestspielen 2020 auch mit einem Silbernen Bären als beste Darstellerin ausgezeichnet worden ist.
Szenenfoto: Schramm-Film/Hans Fromm
Kategorien:Film