Die wurde man zur und auf Zeit der Ausgangsbeschränkungen los. In Hallstatt beispielsweise. Ich besuchte die Marktgemeinde, als dies wieder zulässig war, der Zustrom an Touristen aber weiterhin ausbleiben musste. Mein Motto: So leer wirst du Hallstatt nie wieder sehen können. Denn die lang am schmalen Westufer des Sees hingestreckte Gemeinde mit ihrer einen Straße und zahlreichen von dieser weg bergan wachsenden Gässchen, eines darunter führt zu Friedhof und Beinhaus, zählt im UNESCO-Weltkulturerbe-Gebiet Hallstatt-Dachstein/Salzkammergut (Oberösterreich) zu den hot spots von Overtourism in Europa.
Insbesondere stürmen Tausende aus Asien, vorrangig China, Hallstatt und dies erst recht, seit man vor neun Jahren in der Stadt Huizho in der Provinz Guangdong eine Kopie im Originalmaßstab als Wohnbau für betuchte Chinesen errichtete. Aber schon in den achtziger und neunziger Jahren war Hallstatt Fixpunkt auf eine Aufenthaltsstunde beim Österreich-Tag der 7-Tage-Europa-Erkundigung. Vorwiegend verdiente Kader-Persönlichkeiten aus dem Reich der Mitte durften sich dieses stoppuhr-gesteuerte Erlebnis gönnen, erklärte mir der Kulturtouristikexperte meines Vertrauens, vorgebuchtes Mittagessen in 45 Minuten irgendwo auf der Busroute inklusive, natürlich nur in einem chinesischen Restaurant. Zudem war Hallstatt Drehort für die südkoreanische Fernsehserie „Spring Waltz“, auch das lockt.
Dem eiligen Durchzug durch die Originalkulisse schob die Gemeindepolitik einen Riegel vor, der die Mindestaufenthaltsdauer erstreckt. Es gibt „time slots“ für die Busse, Parkgebühren sowieso und den sanften Druck zur Konsumation, nicht unbedingt von regional geprägter Küche, sondern eher von Gerichten der globalisierten fast-food-Welt. Verwaist liegt solche Gastronomie nun nach dem Ende der strengen Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus da.
Es sind die Schilder, die in der Leere der Marktgemeinde wirken und davon erzählen, was an Regeln eingefordert werden muss, weil es ohne die mehrsprachig ausgewiesenen Hinweise nicht funktionieren will. Solche Umstände wertete Soziologe Norbert Elias stets als Signale, was Zivilisierung als gesteuerte Prozesse benötigt, sodass das Zusammenleben funktioniert, weil dies nicht aus sich selbst heraus passiert: „no drones“ und Betretungsverbote von Privatgrundstücken, Piktogramme, die die Leichtfertigkeit der Entsorgung von Zigarettenkippen, locker über die Schulter geworfen, anprangern und Wege zum nächsten Abfalleimer weisen, Warnungen vor Taschendiebstahl und immer wieder das Ersuchen um Ruhe in der Nacht (22 Uhr bis 7 Uhr) und auch zu den Mittagsstunden (12 bis 14 Uhr). Dies alles zeigt auf, womit die 754 Einwohner (Stand: 1.1.2019) geplagt sind.
Und doch schieben Ende April Inhaber von Geschäften unter 400 Quadratmeter Ladenfläche all ihre Souvenirständer in die zögerlich durchbrechenden Sonnenstrahlen, selbst wenn kaum einer vorbeikommt, der die Hallstatt-Motive auf allem, was man nur mit Motiven bedrucken kann, käuflich erwerben will. Die Verkaufsausstellung an der Seestraße signalisiert natürlich schon, dass die Euros rollen sollen, auch wenn die Busse dies vorerst nicht tun, die jene Kaufkraft heranbringen, die dann lautstark über die Grenzen der Privatheit der Einheimischen stolpert.
In einem Baum direkt am Seeufer hängen ein paar schmuddelige asiatische Lampions, daneben wurden die Brandspuren aus dem November 2019, als zwei Holzhütten zerstört und zwei weitere Häuser stark beschädigt worden sind, schon weitgehend weggeräumt. Das Coronavirus entfachte eine andere Form von Feuer. Kalt, geruchlos, unsichtbar verbrannte es eine sprudelnde Einkommensquelle auf vorerst unabsehbare Zeit. Jetzt herrscht ungeduldiges Warten. Und Ruhe, in der man doch auch den Ruf nach jenen Geistern hören kann, die man, sind sie erst einmal herbeigeholt, sofort wieder los werden möchte.
Kategorien:Raum & Architektur, Soziales Handeln
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